Der Senator für Arbeit, Frauen Gesundheit, Jugend und Soziales Hansestadt Gesundheitsamt Bremen Gesundheitsrisiken bei Sommerhitze für ältere und pflegebedürftige Menschen Hinweise für Pflegekräfte, Heimleitungen und Hausärzte
Warum ist bei großer Hitze die Gesundheit in Gefahr?
Große Hitze belastet den Körper. Grundsätzlich kann sich der Organismus aber an Hitze gewöhnen. Dieser Anpassungsprozess verläuft insbesondere bei älteren und pflegebedürftigen Menschen jedoch langsamer und schwieriger als bei jungen und gesunden Personen. Das Gesundheitsrisiko ist beson- ders hoch, -
im Frühsommer, wenn sich der Organismus noch nicht auf warme Temperaturen eingestellt hat. Bereits die ersten hohen Temperaturspitzen im Mai und Juni können deshalb bedrohlich sein, weil der Körper noch keine Zeit zur Anpassung an die Hitze hatte. Das wird häufig übersehen.
später im Jahr bzw. im Sommer bei länger anhaltenden Hitzewellen.
Bei einer Hitzewelle drohen insbesondere zwei Komplikationen: -
Hitzeerschöpfung mit Exsikkose (Flüssigkeitsmangel) ist die Folge eines veränderten Flüssig-keitshaushalts, der durch Schweißverluste hervorgerufen wird. Eine Hitzeerschöpfung entwickelt sich über mehrere Tage.
Hitzschlag ist ein lebensgefährlicher medizinischer Notfall. Beim Hitzschlag gerät die Körpertem-peratur außer Kontrolle und steigt rasch an. Zeichen eines Hitzschlags sind: ungewöhnliche Un-ruhe, eine heiße, rote, trockene Haut, Kopfschmerzen, Schwindelgefühl, Schläfrigkeit, starkes Durstgefühl, Verwirrtheit, Krampfanfälle, eine Eintrübung des Bewusstseins bis zur Bewusstlosig-keit. Ein Hitzschlag entwickelt sich sehr schnell (innerhalb von 1 bis 6 Stunden) und kann in weni-ger als 24 Stunden zum Tod führen, wenn keine geeigneten Gegenmaßnahmen eingeleitet wer-den. Rufen Sie einen Arzt oder den Rettungsdienst und bringen Sie die betroffene Person in der Wartezeit an einen kühlen Ort. Geben Sie ihr zu trinken, lockern Sie enge Bekleidung und ma-chen Sie kühle feuchte Umschläge. Sorgen Sie für Luftzug !
Wer ist besonders gefährdet?
Besonders gefährdet sind alle Personen mit eingeschränkter Anpassungsfähigkeit an die Hitze. Dazu gehören -
ältere Personen ab 65 und ganz besonders Personen in hohem Alter,
Personen mit Erinnerungslücken oder Gedächtnisstörungen, Verständnis- oder Orientierungs-schwierigkeiten, die für ihre täglichen Verrichtungen auf die Hilfe anderer angewiesen sind,
- Personen unter bestimmter medikamentöser Behandlung (Beruhigungsmittel, Antidepressiva,
psychotrop wirkende Medikamente, Anticholinergika, Diuretika, verschiedene blutdrucksenkende Medikamente),
- chronisch Kranke (Herz-Kreislaufkrankheiten, cerebrovaskuläre Krankheiten, starkes Überge-
wicht, Unterernährung, Diabetes, M. Parkinson, respiratorische Insuffizienz, Niereninsuffizienz, periphere Gefäßkrankheiten, M. Alzheimer),
Konsumenten von psychoaktiv wirkenden Drogen und Alkohol,
Personen mit anamnestisch bekannten Störungen der Hitzeadaptation.
Wie können Sie sich über bevorstehende Hitzegefahren informieren?
Von zentraler Bedeutung ist, dass Hitzebelastung rechtzeitig als ein Problem erkannt und als eine Gefährdung der betreuten Personen angesehen wird. Insbesondere bei einer Hitzewarnung sind be- sondere Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Deshalb hat im Sommer 2004 der Deutsche Wetterdienst erstmals bei entsprechender Wetterlage Hitzewarnungen für bestimmte Gebiete ausgeben. Darüber werden Sie im Rundfunk informiert, ebenso im Internet unter www.dwd.de Das sollten Sie tun – Prävention und Therapie
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Kontrollieren Sie die Raumtemperaturen morgens zwischen 8.00 und 10.00 Uhr, mittags gegen 13.00 Uhr und abends nach 22.00 Uhr.
Passen Sie den Tagesablauf der Hitze an.
Lüften Sie früh morgens, abends, wenn die Luft draußen kühler als drinnen ist und möglichst auch nachts.
Dunkeln Sie die Räume tagsüber mit Rollläden und Vorhängen ab.
Reduzieren Sie künstliche Beleuchtung als Wärmequelle.
Hängen Sie feuchte Tücher im Zimmer auf.
Verwenden Sie leichte Bettwäsche, so wenig Kissen wie möglich und nur Laken als Zudecke.
Wechseln Sie durchgeschwitzte Bettwäsche öfter als üblich.
Verwenden Sie leichte luftdurchlässige Kleidung und lassen Sie alles Überflüssige weg.
Benutzen Sie wenn möglich eher eine Netzhose mit Einlage als folienbeschichtete Windelhosen
- Wärmestau!). Flüssigkeits- und Salzzufuhr ist unerlässlich.
Ältere Personen sollten täglich mindestens 1500 bis 2000 ml Flüssigkeit zu sich nehmen. Es kann sinnvoll sein, im Einzelfall Bilanzen zu führen, da dieser Personenkreis die Situation selbst oft nicht richtig beurteilen kann. Hilfreich ist oft, die tägliche Trinkmenge sichtbar bereitzustellen. -
Halten Sie verschiedene kühle (nicht kalte) Getränke bereit: z.B. Kräuter- oder Früchtetee, Saft-schorle, Mineralwasser, Leitungswasser. Wenn unbedingt Kaffee gewünscht wird, dann nur stark verdünnt.
Bieten Sie in jeder Stunde ein bis zwei Gläser Flüssigkeit an.
Eisgekühlte Getränke oder sehr kalte Speisen sollten nicht zum Verzehr angeboten werden, da das Durstgefühl bei eisgekühlten Getränken schneller nachlässt und so die Trinkmenge geringer bleibt.
Bei starkem Schwitzen sollten Sie darauf achten, dass der Salzverlust ausgeglichen wird. Ver-wenden Sie natriumreiche Mineralwässer (>20mg/l), um einem Natriumverlust infolge starken Schwitzens vorbeugen zu können.
Generell sollten natriumarme Getränke wie Fruchtsäfte, Tee, Kaffee etc. nur dann eingenommen werden, wenn eine ausreichende Kochsalzzufuhr auf anderem Wege gesichert ist.
Falls als Getränk (Mineral-)Wasser nicht akzeptiert wird, können Sie mit Tee, Fruchtsaft, kalten Suppen, Kompott, Speiseeis (vorzugsweise Wassereis), wasserreichen Früchten wie Erdbeeren, Pfirsichen, Tomaten, Gurken und Melonen variieren.
Bei Fieber ist die Flüssigkeitszufuhr zu erhöhen. Zum Beispiel muss ein Mensch wenigstens 500 ml zusätzliche Flüssigkeit pro Tag trinken, wenn die Körpertemperatur von 37 auf 38 Grad steigt.
Bieten Sie leichte Kost an: viel Gemüse, wasserreiches Obst. Vermeiden Sie schwere Speisen wie z. B. Wurstplatten.
Beachten Sie folgende pflegerische Maßnahmen und Hinweise:
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Benutzen Sie eine kühlende Körperlotion, evtl. ein Thermalwasserspray.
Kontrollieren Sie täglich, bei großer Hitze auch mehrmals täglich, die Körpertemperatur (möglichst mit dem Ohrthermometer).
Achten Sie auf Symptome, die auf Überhitzung hinweisen wie Temperaturen über 38°C, Unruhe, Verwirrtheit, Erbrechen. Auch trockene kühle Haut bei gleichzeitig hoher Körpertemperatur kann ein Zeichen für drohenden Hitzschlag sein. In diesem Fall soll ein Arzt verständigt werden.
Perkutane Nahrungssonden (PEG) haben eher Nachteile, da erfahrungsgemäß die notwendige Anpassung der Zufuhr bei Veränderungen der äußeren Bedingungen nur selten korrekt vorge-nommen wird.
Ist es zur Dekompensation des Kreislaufs gekommen, sind intensive medizinische Maßnahmen angezeigt. Bei multimorbiden und vorgeschädigten Patienten kann das Flüssigkeitsgleichgewicht nur durch sehr sorgfältige Kontrollen der Vital- und Laborwerte wieder hergestellt werden.
Eine therapeutische Überaktivität ist häufig gefährlicher als die eigentliche Exsikkose. Schnelle Flüssigkeitszufuhr kann zur hypotonen Hyperhydratation führen. Meist bedarf es 3 bis 5 Tage, um durch vorsichtige Infusionstherapie die Flüssigkeitsbalance wiederherzustellen. Gleichzeitig müs-sen die Patienten fortgesetzt zum Trinken aufgefordert werden.
Spezielle Empfehlungen für Alten- und Pflegeheime
Zusätzlich zu den oben dargelegten Empfehlungen sollten in den Pflege- und Altenheimen die orga-nisatorischen Vorbereitungen getroffen werden, damit bei Hitzewarnungen folgende Vorkehrungen erfolgen können: -
Benutzen Sie in Gemeinschaftsräumen Ventilatoren.
Versuchen Sie, besonders gefährdete Bewohner in kühle Räume zu bringen (Korridore, Speise-saal, Kapelle, Räume an der Nordseite).
Waschen Sie insbesondere bettlägerige Bewohner alle 2 Stunden und vor dem Schlafengehen mit einem nassen, kalten Waschlappen ab.
Sorgen Sie dafür, dass die Flüssigkeitszufuhr überwacht und dokumentiert wird.
Im Einzelfall sollten Sie Bilanzen führen und seien sie auch nur ungefähr, um Gefahrenmomente zu erkennen. In diesem Zusammenhang ist ein Trinkplan sehr sinnvoll.
Für die Erstellung der Speisepläne sind die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernäh-rung für ältere Personen hilfreich.
Kühlen Sie Lebensmittel und Speisen stets oder brauchen Sie diese schnell auf!
Achten Sie dabei auch auf Lebensmittel und Getränke im Zimmer! Angebrochene Packungen (z.B. Joghurt, Flüssignahrung) oder angebrochene Fruchtsaftflaschen etc. können bei großer Hit-ze schnell verderben. Sie können so beispielsweise zu Durchfallerkrankungen führen.
Werfen Sie im Zweifelsfall Lebensmittel oder Getränke frühzeitig weg.
Hinweise für die Hausärzte
Folgende Medikamente können die Mechanismen des Körpers zur Hitzeadaptation beeinflussen. -
Diuretika, besonders Schleifendiuretika (Furosemid)
Alle nichtsteroidalen Entzündungshemmer, einschließlich der klassischen bzw. konventionellen Entzündungshemmer (Salicylate in Dosierungen von über 500 mg/Tag).
Medikamente, deren Pharmakokinetik durch Wassermangel beeinträchtigt werden könnte, insbe-sondere Lithiumsalze, Antiarrhythmika, Digoxin, Antiepileptika, bestimmte orale Antidiabetika (Bi-guanide, Sulfonylharnstoffderivate), Lipidsenker (Statine und Fibrate)
H1-Antihistaminika der ersten Generation
bestimmte Parkinsonmittel (Trihexyphenidyl, Biperiden)
- bestimmte Spasmolytika, besonders miktionsbeeinflussende Mittel (Oxybutynin, Tolterodin,
Neuroleptika, einschließlich der so genannten atypischen Antipsychotika
Pizotifen (ein Migränemittel, auch Appetitanreger)
periphere Vasokonstriktoren, insbesondere Sympathomimetika, die angewendet werden:
zur systemischen Behandlung einer Rhinitis (Pseudoephedrin, Neosynephrin, Phenylpropanola-min),
zur Behandlung einer orthostatischen Hypotonie (Etilefrin, Heptaminol)
- Antihypertonika (z.B. Betarezeptorenblocker, ACE-Hemmer, Angiotensin-II-Rezeptor-
Antagonisten) und Mittel gegen Angina pectoris.
Serotonin-Agonisten und ähnliche Substanzen, besonders selektive Serotonin- Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) ebenso wie Antidepressiva (Imipramin, Monoaminooxidase-Hemmer, Venlafa-xin), Triptane und Buspiron. Das Risiko eines serotonergen Syndroms ist am häfigsten mit einem dieser Substanzen assoziiert.
Medikamente und Hitze
Verschiedene Medikamente greifen in Vorgänge ein, die der Körper zur Anpassung an Hitze nutzt. Sie können deshalb die Hitzeadaptation beeinträchtigen und bei verlängerter Hitzeexposition im Zu- sammenwirken mit anderen Risikofaktoren die Entwicklung einer Hitzeerschöpfung und eines Hitz- schlags begünstigen. Diese Medikamente sollten deshalb von Fall zu Fall in die Betrachtung des gesamten Risikoprofils eines Patienten einbezogen werden. In keinem Fall ist eine automatische Reduzierung der Dosis oder das Absetzen eines Medika- ments, das mit der Hitzeanpassung des Körpers in Wechselwirkung stehen kann, gerechtfer- tigt. Dies obliegt einer ärztlichen Bewertung im Einzelfall.
Bei einer Hitzewelle sollte Personal, dem die Verantwortung für Patienten mit Risikofaktoren übertra- gen wurde, folgende Maßnahmen durchführen oder veranlassen: -
Stellen Sie eine Liste der Medikamente zusammen, die der Patient einnimmt.
Empfehlen Sie jedem Patienten, ohne ärztlichen Rat kein Medikament einzunehmen, insbesonde-re keine Medikamente, die ohne Anordnung mitgebracht wurden.
Die Entscheidung zur Einnahme von Medikamenten, welche die Fähigkeit des Körpers zur Anpas-sung an die Hitze verändern können, ist durch den behandelnden Arzt zu treffen.
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