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Honig als Medizin
Neue wissenschaftliche Untersuchungen belegen die Heilwirkung von Honig
Langfassung aus: die biene / ADIZ / Imkerfreund – Heft 11/2005, Seiten 20 – 21
Priv. Doz. Dr. Karsten Münstedt,Universitätsklinikum, Klinikstrasse 32, 35392 Gießen In der Vergangenheit sind zahlreiche Bücher auf dem Markt erschienen, die diegesundheitlichen Vorzüge von Honig darstellen und dessen vielfältigenAnwendungen propagieren. Alle verweisen auf die medizinische Bedeutung vonHonig seit der Zeit der Antike, auf die Anwendung als Heilmittel bei den altenÄgyptern, Assyrern und Chinesen sowie auf die Anwendung durch berühmteMediziner wie Hippokrates (460 bis 370 v. Chr.) und Paracelsus (1493 bis 1541).
Den meisten dieser Veröffentlichungen ist gemeinsam, dass zwar umfangreicheHeilwirkungen proklamiert werden, die jedoch kaum mit Daten belegt sind, die esauch kritischen Menschen und insbesondere Ärzten erlauben, dieBehandlungsmethoden ernst zu nehmen.
Während man sich in den Anfängen der Medizin bei therapeutischenEntscheidungen überwiegend von der Erfahrung leiten ließ, hält heute die Evidenz-basierte Medizin immer mehr Einzug. Auch die Kostenerstattung der Krankenkassenwird immer mehr davon abhängig gemacht, ob der Nutzen einer Maßnahme auchdurch wissenschaftliche Untersuchungen gesichert ist.
Wissenschaftliche Untersuchungen am Menschen sind insgesamt etwas schwierigerals Experimente im Bereich der Naturwissenschaften wie Physik oder Chemie. In derMedizin sind die Unterschiede zwischen den Menschen zu berücksichtigen, daherwird mit Hilfe der Statistik eine Irrtumswahrscheinlichkeit berechnet. Mit dieser Größelässt sich dann ausdrücken, inwieweit die in einer Datenanalyse gefundenenZusammenhänge auch als richtig anzunehmen sind. Je nachdem, ob bestimmteZusammenhänge von verschiedenen Seiten bestätigt wurden, ob dies gesammelteBeobachtungen sind oder Analysen zu klinischen Studien, wird den Befunden einegewisse Ebene der Evidenz (Levels of Evidence) zugeschrieben. Tabelle 1 fasst dasderzeit gültige System zusammen.
Unter Berücksichtigung von Tabelle 1 ergibt sich, dass mit der Ausnahme derAnwendung von Honig bei Wundheilungsstörungen und Verbrennungen keine dersonstigen Anwendungsgebiete vor einem kritischen Auge bestand hatte (Münstedt &Lang 1997).
Honig in der Wundbehandlung
Wundheilungsstörungen und Verbrennungen Die Wundbehandlung mit Honig wurde in der Folge der Entwicklung der Antibiotikaunmodern. Heute, wo Antibiotika-resistente Bakterien eine zunehmende Bedeutungund ein Problem darstellen, ist es zur Renaissance der Honigtherapie gekommen.
Laboruntersuchungen als auch klinische Studien haben gezeigt, dass Honig einbreites antibakterielles Spektrum hat, aber keine ungünstigen Einflüsse auf das Wundgewebe. Über die antibakterielle Wirkung hinaus führt Honig zu einer schnellenWundreinigung (autolytisches Debridement), so dass unangenehme Gerücheverschwinden. Weiterhin wird der Heilungsprozess beschleunigt, da in feuchtesHeilklima entsteht. Die antientzündlichen Eigenschaften reduzieren Schmerzen,Schwellungen und die Sekretbildung. Durch Honig heilen Wunden auch untergeringerer Narbenbildung ab, so dass vermutet wird, dass Honig sich günstig auf denKollagenstoffwechsel auswirkt (Topham 2002). Mit Hilfe angepassterVerbandtechniken lassen sich auch die meisten technischen Probleme bei derAnwendung lösen (Molan 2002; Ahmed et al. 2003; Namias 2003; Lusby et al. 2002;Münstedt & Lang 1997).
Den Stellenwert von Honig in einer schwierigen Situation zeigt insbesondere diekürzlich publizierte Studie von Dunford & Hanano (2004). Hier wurden multizentrisch40 Patienten mit therapiereresistenten Geschwüren (Ulzerationen) am Beinuntersucht. In allen Fällen hatten konventionelle Maßnahmen vorher keinen Erfolggebracht. Nach den Einsatz von Honig auf die nicht heilenden Wunden hat sichinnerhalb von 12 Wochen die Größe der Ulzerationen zurückgebildet, der davonausgehende Geruch abgenommen und die Beschwerdesituation der Patientengebessert. Entsprechend war die Akzeptanz der Behandlung durch die Patientenhoch.
Ein weiterer Bericht beschreibt den Behandlungserfolg bei einer mit großenBeinwunde bei einem immunsupprimierten Patienten, die von multiple-resistentenKeimen (Staphylokokkus aureus; MRSA) besiedelt war. Unter Fortsetzung derTherapie heilte die Wunde ab (Natarajan et al. 2001).
Auch bei Hauttransplantationen stelle sich eine mit Honig imprägnierte Gaze alswirksam heraus. In einer Studie an 80 Patienten, die unterschiedliche, üblicheBehandlungen der Hauttransplantate erhielten, war die Honiggaze so effektiv wie einmoderner Hydrokolloidverband (Misirlioglu et al. 2003).
In der Gesamtschau der vorliegenden Daten erscheint die Behandlung von Wundenmit Honig als sehr günstig sowohl im Hinblick auf Kosten als auch die Wirksamkeit.
Interessen der Industrie aber möglicherweise auch die Angst vor Infektionen mitChlostridien (sporenbildendes Bakterium; Chlostridium botulinum), die in manchenHonigproben nachgewiesen werden können und vereinzelt zu Botulismus beiKleinkindern geführt haben, haben verhindert, dass sich dieseBehandlungsmöglichkeit in den Industrienationen durchsetzen konnten. Anzumerkenist an dieser Stelle, dass bisher kein Fall von Botulismus nach Verwendung vonHonig in der Wundbehandlung beschrieben wurde und das, obwohl diese Therapieaufgrund des günstigen Preises und der sehr guten Wirkungen in den Ländern der 3.
Welt eine weite Verbreitung hat. Da bei 7-10% der Honige Chlostridiensporennachgewiesen werden können (Schocken-Iturrino et al. 1999; Midura et al. 1979;Snowdon & Cliver 1996), hat man nach versucht, den Honig durch Bestrahlung zusterilisieren. Eine Studie konnte den Erfolg der Maßnahme nachweisen aber auchden Umstand, dass trotz der Bestrahlung die antibakteriellen Eigenschaften erhaltenbleiben (Molan & Allen 1996).
Nach operativen Eingriffen im Bauchraum bilden sich in einigen Fällen aufgrund derVerletzungen des Bauchfells Verklebungen, die dann zu verschiedenenBeschwerden (Schmerzen) im Bauch bis hin um Darmverschluss oder zur weiblichen Unfruchtbarkeit führen können. Entsprechend sucht man heute nach Möglichkeiten,die diese Verwachsungen verhindern (Treutner et al. 2001).
Unter den verschiedenen Ansätzen, die Verwachsungen zu vermeiden, wurde imTierexperiment auch Honig eingesetzt (Anzumerken ist, dass auch zu anderenSubstanzen kaum klinische Studien, d. h. Studien beim Menschen, vorliegen.) DasExperiment an 40 Versuchstieren ergab einen statistisch hochsignifikanten Vorteil fürdie Anwendung von Honig in der Bauchhöhle bei operativen Eingriffen. Das Ergebnisist in Abbildung 1 zusammengefasst (Aysan et al. 2002). Es ist zu hoffen, dassUntersuchungen zu diesem wichtigen Gebiet fortgesetzt werden.
Honig als Supportivum in der Strahlentherapie
Bei der Behandlung bösartiger Tumoren spielt die Strahlentherapie eine wichtigeRolle. Oftmals ist sie mit Nebenwirkungen (z.B. Entzündungen) vergesellschaftet,wenn Schleimhäute bestrahlt werden. Entsprechend ist es wichtig, nachMöglichkeiten zu suchen, die eine Behandlung besser verträglich machen. Ausdiesem Bereich, der so genannten onkologischen Supportivtherapie, liegt eine sehrinteressante klinische Studie zu Honig vor. Hier wurden insgesamt 40 Patienten miteinem bösartigem Kopf-Hals-Tumor in zwei Gruppen aufgeteilt. Die Studiengruppenahm 20 ml Honig 15 Minuten vor und 15 Minuten nach der Strahlentherapie sowieein weiteres Mal 6 Stunden später ein. Die andere Gruppe nahm keinen Honig undwurde nur beobachtet (Kontrollgruppe). Schwere Entzündungen der Schleimhäute(Grad 3/4 Mukositis) traten bei 20% der Personen in der Studiengruppe, aber bei75% der Kontrollgruppe auf. Damit in Zusammenhang verloren viele Patienten derKontrollgruppe an Gewicht, weil sie nur schwer essen konnten, während derGewichtsverlauf in der Studiengruppe stabil war. Die Autoren der Studie halten dieAnwendung von Honig in der unterstützenden Strahlentherapie für eine einfache undpreisgünstige Behandlung, die effizient die Nebenwirkungen mildern kann (Biswal etal. 2003). Eine Studie mit anderer Zielsetzung kam zu dem Ergebnis, dass beiPatienten, die sich einer Strahlentherapie unterziehen, durch die Gabe von Honig dieZahl krankmachender (pathogener) Keime reduziert werden kann (Sela et al. 2000).
Honig bei Zahnbelägen und Zahnfleischentzündungen
Nachdem andere Studien gezeigt hatten, dass Manuka-Honig kein Karies erzeugt,erhielten 30 Freiwillige entweder ein Honig-imprägniertes Kauleder oder aberzuckerfreies Kaugummi. Nach einer Studienzeit von 21 Tagen konnte man deutlichweniger Zahnbeläge und weniger Zahnfleischbluten in der mit Honig behandeltenGruppe beobachten. Die Unterschiede wurden auch statistisch als signifikantbetrachtet (p < 0,001). Entsprechend kann auch bestimmter Honig sinnvoll beiZahnfleischentzündungen eingesetzt werden.
Honig bei Hauterkrankungen
Eine Mischung aus Honig, Olivenöl und Bienenwachs (Verhältnis 1:1:1) wurde inStudien am Menschen bei verschiedenen Hauterkrankungen (Kleienpilzflechte-Pityriasis versicolor; Fadenpilzerkrankungen - Tinea cruris, Tinea corporis and Tineafaciei) erfolgreich getestet und ergab Heilungsraten von 86% (Pityriasis versicolor),um 70% bei den Fadenpilzerkrankungen (Al-Waili 2004).
Eine vergleichende Studie bei insgesamt 39 Patienten mit Neurodermitis undSchuppenflechte, bei denen die rechte und linke Körperhälfte mit o. g. Mischung,bzw. o.g. Mischung mit verschiedenen Kortison (Betamethason) Zugaben getestetwurde, ergab, dass die Honig-Olivenöl-Bienenwachs-Mischung bei 8 von 10Patienten mit Neurodermitis und bei 5 von 8 Patienten mit Schuppenflechte zu einerSymptombesserung führte. In anderen Fällen konnte die Kortisondosis verringertwerden (Al-Waili 2003).
Honig und Blutfette
Eine kürzlich erschienene Arbeit untersuchte den Einfluss von Honig aufverschiedene Blutwerte im Vergleich zu verschiedenen Zucker und künstlichemHonig. Die Studie ergab, dass etwa 75 g Honig, anders als Zucker und künstlicherHonig, die Cholesterinwerte, insbesondere LDL-Cholesterin sowie die Blutfettwerte,senkt (Al-Waili 2004).
Honig bei Magen-Darmerkrankungen
Zahlreiche tierexperimentelle Untersuchungen haben gezeigt, dass Honig denMagen vor den Folgen bestimmter Medikamente, die die Magenwand angreifensowie gegen Alkohol effizient zu schützen vermag (Gharzouli et al. 1999, 2002).
Honig vermag auch die Keime, die für Magengeschwüre verantwortlich sind(Helicobacter pylori), effizient zu hemmen und könnte entsprechend in derBehandlung von Magengeschwüren eine Bedeutung erlangen (Ali et al. 1991). Auchin der Therapie von entzündlichen Darmerkrankungen könnte Honig eine Rollespielen. Hier ergaben tierexperimentelle Untersuchungen, dass Honig bei oraler undrektaler Gabe einen schützenden Effekt auf die Darmschleimhaut hatte, der beimVergleich mit einfachen Zuckerlösungen nicht auftrat (Mahgoub et al. 2002). In einemanderen Experiment erwies sich Honig als ebenso effektiv wie Kortisonderivate(Bilsel et al. 2002). Da sich die Behandlung entzündlicher Darmerkrankungenmanchmal schwierig gestaltet, sind zu diesem Bereich klinische Studien sinnvoll.
Honig bei Tumor- und Viruserkrankungen
In tierexperimentellen Studien konnte bei Honig auch eine Aktivität gegenBlasenkrebszellen nachgewiesen werden. Die Tumorzellen konnten positivbeeinflusst werden, wenn verdünnte Honiglösung in die Tumorzellverbände gespritztwurde und zusätzlich eingenommen wurde (Swellam et al. 2003).
Auch die Wirksamkeit von Honig gegen Rötelnviren konnte experimentell gesichertwerden (Zeina et al. 1996). Welche Konsequenzen sich aus diesen Ergebnissenergeben, müssen weitere Studien zeigen.
Diskussion
Honig ist eine vielseitig verwendbare Substanz, die über seine Verwendung alsgesundes Lebensmittel Beiträge zur Gesundheit des Menschen leisten kann. Wenn auch in der Vergangenheit dem Thema Gesundheit und Honig nur wenig Beachtunggeschenkt wurde, so zeigt diese Übersicht, dass in den letzten Jahren doch einigewissenschaftliche Untersuchungen, zum Teil auch an Menschen, durchgeführtwurden.
Zusammenfassend zeigt sich, dass im Bereich der Behandlung von Wunden Honigeine medizinische Bedeutung erlangen kann. Hier liegen Daten vor, dass Honiginsbesondere in schwierigen Situationen hilfreich sein kann. Auch als Supportivum inder Strahlentherapie ist Honig sicher interessant, da bisher von der Industrie kaumvergleichbare Alternativen angeboten werden. Bei Hauterkrankungen scheinenMixturen, die Honig enthalten, ebenfalls sinnvoll zu sein. In den genantenIndikationsgebieten kann Honig angewendet, wenn auch zu wünschen ist, dass inZukunft weitere sorgfältig geplante klinische Studien erfolgen (Moore et al. 2001).
Bei Magen- und Darmerkrankungen sowie im Hinblick auf die Blutfettwerteerscheinen weitere klinische Studien sinnvoll und erforderlich. Ob Honig auch beiTumor- und Viruserkrankungen eine heilende Wirkung hat, sollte in weiterenUntersuchungen geprüft werden.
In keinem Fall sollten die bisherigen Daten dazu ermutigen, Honig als Alternative zuetablierten Therapiekonzepten zu betrachten. Patienten mit entzündlichenErkrankungen des Magen- und Darmtrakts und erhöhten Blutfetten können sicherlichversuchen, Honig vermehrt in ihren Ernährungsplan einzubauen. Allerdings solltenjedem Anwender von Honig auch die möglichen, selten auftretenden Probleme derAnwendung von Honig bekannt sein, die außer dem nur bei Kleinkindernauftretenden Botulismus auch Allergien umfassen können (Münstedt & Lang 1998).
Eine weitere Aufgabe der Studien zu Honig wird es sein, die geeignetste Honigsortefür die jeweilige Indikation sowie medizinische Qualitätsanforderungen zu definieren,damit eine Behandlung gezielt und optimiert erfolgen kann.
Literatur
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Evidenz aus wenigstens einer gut-geplanten, experimentellenStudie oder randomisierten Studien mit niedriger Sensitivitätund Spezifität.
Evidenz aus einer gut-geplanten, quasi-experimentellenStudie mit gutem Studiendesign Evidenz aus gut-geplanten, nicht-experimentellen Studien, wieVergleichsstudien, Korrelationsanalysen und Fallserien.
Evidenz aus Fallberichten und klinischen Beispielen.
Abbildung 1: Vergleich der Ausbildung von Verwachsungen im Bauchraum vonWistar Albino-Ratten. Die Stärke der Verwachsungen wurde in verschiedene Gradeeingeteilt (Grad 0 = keine Verwachsungen; Grad 3 = starke Verwachsungen). Hierergeben sich deutliche Vorteile für die Behandlung mit Honig, die auch statistischsignifikant ist (p < 0,001).

Source: http://www.saarlandimker.de/Download/heilwirkung.pdf

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