Wenn wir die Häufigkeit chronischer Schmerzen bei älteren Menschen betrachten, so wird deutlich, wie wichtig eine gute Schmerztherapie für diese Patientengruppe ist. Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass zwischen 50-80% der Bewohner in Langzeitpflegeinstitutionen unter chronischen Schmerzen leiden. Leider ist trotz der Anstrengungen zur Verbesserung des Wissens um die Schmerztherapie der Anteil der älteren Patienten noch sehr hoch, die keine regelmässige oder nur eine ungenügende Schmerztherapie erhalten. Was sind die Gründe dafür?
1. Weil chronische Schmerzen so häufig sind, kommt es zur Gewöhnung der
Betreuer. Die Ansicht, Schmerzen würden zum alten Menschen gehören wie die grauen Haare, führt zu Antworten bei Schmerzklagen wie „Sie sind eben nicht mehr zwanzig“ oder anderen bagatellisierenden Aussagen. Der ältere Patient getraut sich nicht mehr, seine Schmerzen zu äussern, er hat das Gefühl, er müsse dieses Leiden akzeptieren. Was häufig ist wird zur Normalität.
2. Akute Schmerzen werden als Warnsignal wahrgenommen. Man sucht nach
der Ursache, um diese gezielt behandeln zu können. Bei chronischen Schmerzen ist die Ursache oft komplex und nicht mehr kausal behandelbar, weshalb sie nicht die nötige Beachtung finden.
3. Viele ältere Menschen sind durch Kommunikationsstörungen gehindert, ihre
Schmerzen klar zu äussern. Folgen von Schlaganfällen und vor allem von Demenzerkrankungen können die verbale Kommunikation erschweren oder verunmöglichen. Oft unterschätzt werden die Sprachverständnisstörungen. Wenn ein Demenzkranker gefragt wird, ob er Schmerzen habe, so lächelt er vielleicht nur oder schüttelt den Kopf – nicht weil er keine Schmerzen hat, sondern weil er unsere Frage nicht versteht!
4. Das Phänomen des globalen Schmerzes, des total pain, ist bei Menschen im
Heim besonders wichtig. Wenn nur nach den rein somatischen Schmerzen gesucht wird und nur dieser Anteil des globalen Schmerzes behandelt wird, so wird die Schmerzlinderung in vielen Fällen unbefriedigend sein.
5. Als Folge chronischer Schmerzen können Störungen auftreten wie
Schlaflosigkeit, Apathie, Appetitlosigkeit, sozialer Rückzug und Depressionen. Da diese Symptome auch sonst gehäuft beobachtet werden bei älteren Menschen, wird oft der Zusammenhang mit Schmerzzuständen verpasst.
Grundlage einer guten Schmerztherapie sind immer die folgenden Schritte: Schmerzerkennung à Schmerzerfassung à Schmerzbehandlung à Erfolgskontrolle Schmerzerkennung
Der chronische Schmerz muss gesucht werden, die Patienten müssen gefragt und beobachtet werden, weil sie oft ihre Schmerzen nicht mehr spontan äussern aus den oben genannten Gründen. Der erste Schritt, die Schmerzerkennung, wird deshalb oft verpasst. Eine aktive Suche nach Schmerzhinweisen ist deshalb notwendig. Nebst der Verhaltensbeobachtung (siehe unten) ist die Anamnese ein wichtiger Baustein.
Das Gespräch mit den Angehörigen klärt folgende Fragen: Litt der Patient schon früher unter chronischen Schmerzen? Musste er regelmässig Schmerzmittel zu sich nehmen? Sind frühere Diagnosen bekannt, die erfahrungsgemäss zu Schmerzen führen? Aggressives Verhalten von Demenzpatienten kann ebenfalls Folge von nicht erkannten Schmerzen sein. Es konnte gezeigt werden, dass Demente mit bekannten schmerzhaften Diagnosen wie Arthritis, Arthrose und Osteoporose häufiger aggressive Verhaltensstörungen aufweisen.
Schmerzerfassung
Zur Schmerzerfassung eignen sich die bekannten Instrumente wie z.B. die visuelle Analogskala (ein Schieber, auf dem der Betroffene die momentane Intensität seiner Schmerzen anzeigen kann zwischen 1= keine Schmerzen und 10 = maximale Schmerzen). Zusätzlich müssen die Schmerzen vom Patienten genau erfragt werden: wo, wie, wann (in Ruhe, bei Belastung, in der Nacht etc.), wodurch werden sie gelindert oder verstärkt? Bei Patienten mit Demenzerkrankungen ist dieser Weg der Schmerzerfassung oft nicht mehr möglich. Dies ist ein Hauptgrund, weshalb die Schmerzen dieser Menschen besonders häufig nicht beachtet und behandelt werden. Es gibt nur wenige Erfassungsinstrumente, die für kommunikationsgestörte Patienten eine taugliche Hilfe sind. Ein Beispiel ist das ECPA (siehe Anhang), das den Pflegenden die Möglichkeit einer systematischen Verhaltensbeobachtung gibt, um nonverbale Hinweise auf Schmerzen zu erfassen. ECPA soll von denjenigen Pflegenden ausgefüllt werden, welche den Patienten in den letzten drei Tagen gepflegt haben. Es eignet sich zur Erfassung von bisher versteckten Schmerzen, aber auch zur Erfolgskontrolle nach etablierter Schmerztherapie. Der Gesamtscore gibt Auskunft über die Anzahl Schmerzhinweise, ist aber kein Parameter der absoluten Schmerzintensität! Mit einer dokumentierten Schmerzerfassung haben die Pflegenden das beste Instrument in der Hand, den behandelnden Arzt von der Notwendigkeit einer Schmerztherapie zu überzeugen. Nur mit dem „Gefühl, der Patient habe Schmerzen“ stösst man bei den Ärzten oft auf wenig Gehör. Schmerztherapie
Bevor eine Schmerztherapie eingeleitet wird, muss die Frage geklärt werden, ob es sich um einen sogenannt nociceptiven (d.h. durch Gewebsschädigung bedingten) oder einen neuropathischen (d.h. vom Nervensystem ausgehenden Schmerz, z.B. nach Apoplexie, nach Herpes zoster, Phantomschmerzen und periphere Neuropathien) handelt, da die neuropathischen Schmerzen ein anderes Therapiekonzept benötigen. Häufigste Ursachen von chronischen nociceptiven Schmerzen im Alter sind:
Primär muss immer die Möglichkeit einer kausalen Therapie geprüft werden. Auch im hohen Alter kann ein Gelenksersatz zum Beispiel bei einer Hüftarthrose mit Ruheschmerzen einen hohen Gewinn an Lebensqualität bringen, Physiotherapie kann allein oder häufig in Kombination mit Schmerzmitteln einiges zur Erleichterung beitragen. In den meisten Fällen kommt aber der adäquaten Therapie mit Analgetika die zentrale Rolle zu. Die medikamentöse Schmerztherapie basiert auf den bekannten Grundsätzen, welche die WHO formuliert hat:
• Feste Verordnung nach fixem Zeitschema. Schmerzmittel nach Bedarf
zwingen den Patienten zum Betteln, er ist auf das Verständnis der Pflegenden angewiesen und muss immer wieder Schmerzen erleiden, bevor er wieder ein Analgetikum erhält.
• Verabreichung auf enteralem Weg. Galenische Formen wie Tabletten,
Tropfen, Suspensionen und Suppositorien stehen im Vordergrund, neu ist auch der transdermale Weg mit Pflastern möglich. Subcutane Injektionen können eine kurzfristige Alternative sein, intramuskuläre und intravenöse Verabreichung ermöglichen keine anhaltenden Wirkspiegel und fördern die Suchtentstehung.
• Vorgehen nach der Stufenleiter. Es ist besser, zur stärkeren
Substanzengruppe zu wechseln, als die niedrigere so hoch zu dosieren, dass störende Nebenwirkungen entstehen. Folgende Überlegungen sind bei der Präparatewahl zu beachten:
Gut geeignet sind Paracetamol (Dafalgan, Panadol u.a.) sowie Metamizol (Novalgin), die gut verträglich sind, aber in 4-stündlichen Abständen verabreicht werden müssen. Die NSAR (sog. Antirheumatika) sind vor allem dann indiziert, wenn entzündliche Prozesse mitspielen. Bei langfristiger Verabreichung muss aber beachtet werden, dass sie bei älteren Patienten nicht ungefährlich sind bezüglich Nebenwirkungen im Magen-Darm-Trakt und Nierenschädigung. Unter Antirheumatika treten wesentlich häufiger lebensgefährliche Komplikationen auf als unter Opiaten! Stufe 2: Bekannt sind bei uns vor allem Codein und Tramadol (Tramal). Diese Substanzen lassen sich gut kombinieren mit der Stufe 1, Codein ist in fixen Kombinationen mit Paracetamol verfügbar. Ungefähr 10% der Bevölkerung können diese Substanzen wegen eines Enzymmangels nur ungenügend in die wirksamen Metaboliten umwandeln, was eine ausbleibende oder nur geringe Schmerzlinderung zur Folge hat. Das Nebenwirkungspotential ist vergleichbar mit dem der Stufe 3-Präparate. Stufe 3: Die eigentlichen Opiate werden nach wie vor zu selten eingesetzt bei chronischen Schmerzen älterer Menschen. Sie sind aber sehr gut geeignet - nicht nur für maligne
Schmerzursachen - und gut verträglich, sofern einige wichtige Grundsätze beachtet werden:
• Start low, go slow! Es muss mit einer kleinen Dosis begonnen werden und die
Dosis darf nur langsam gesteigert werden.
• Nebenwirkungen müssen von Anfang an mitbehandelt werden, vor allem
• Der Patient und seine Angehörigen müssen informiert werden, dass Opiate
nicht nur für terminale Situationen geeignet sind, sondern auch für die Langzeitbehandlung, und dass bei korrekter Anwendung keine Suchtgefahr besteht.
• Anfängliche Nebenwirkungen verschwinden nach wenigen Tagen, zum
Für die einzelnen Substanzen gelten folgende Therapierichtlinien: Morphin: Therapieeinleitung mit Morphin-Lösung 2%, 5 (-10) Tropfen (1 Trpf. = 1 mg) alle 4 Stunden. Langsame Steigerung der Dosis um wenige mg alle 1-2 Tage, bis die wirksame Dosis gefunden ist. Nun kann die Dosis pro 24 Stunden in 2 Gaben als Retardpräparat verabreicht werden, z.B. MST continus Tbl., Supp. oder Suspension alle 12 Stunden. Fentanyl Durogesic-Pflaster sind eine gute Alternative bei Patienten mit Schluckstörungen. Es ist aber unbedingt zu beachten, dass sie nicht geeignet sind zur Therapieeinleitung, da auch das schwächste Pflaster von 25 µg/h ungefähr 100 mg Morphin pro Tag entspricht. Diese Dosis verursacht bei nicht mit Opiaten vorbehandelten Patienten starke Nebenwirkungen (v.a. Sedation und Verwirrung).
Weitere Opiate:Methadon ist ein gutes Schmerzmittel, hat aber individuell sehr unterschiedliche Halbwertszeiten. Seine Anwendung erfordert genaue Überwachung während der Einstellung und entsprechende Erfahrung mit dem Präparat. Hydromorphon (Opidol) ist ebenfalls eine gute Ausweichsubstanz bei Morphinunverträglichkeit, wird aber von den Krankenkassen nicht immer übernommen. Unter den Opiat-Nebenwirkungen ist bei älteren Menschen nebst der Obstipation (zu behandeln z.B. mit Magnesium-Hydroxid und anderen gängigen Abführmitteln) und der Nausea (meist nur vorübergehend, gut auf Paspertin ansprechend) vor allem die Harnverhaltung zu beachten.
Reservemedikamente Bei jeder fest verordneten Schmerztherapie muss auch eine Reserve zur Verfügung stehen. Bei Schmerzspitzen braucht der Patient ein zusätzliches Schmerzmittel, das schnell wirkt. Wichtig ist die angepasste Dosis im Verhältnis zur Dauermedikation. Unter Opiattherapie soll als Reservedosis 1/6 der Tagesmenge in schnell wirksamer Form gegeben werden, und dies in stündlichen Abständen bis zur Schmerzfreiheit (also nicht alle 4 Stunden!). Erfolgskontrolle Nachdem eine kontinuierliche Schmerztherapie etabliert wurde, muss deren Erfolg laufend überprüft werden. Mittels erneuter Schmerzerfassung zeigt sich, ob die Dosierung genügend ist oder ob sie weiter erhöht werden soll. Schmerzen können sich verändern und müssen deshalb immer wieder neu erfasst werden. Die regelmässige Schmerzerfassung gibt dem Patient zusätzlich das Gefühl, man nehme seine Schmerzen ernst. Neuropathischer Schmerz
Neuropathische Schmerzen sprechen nicht immer genügend auf Opiate an. In diesem Falle ist eine Kombination mit Antiepileptica (z.B. Tegretol) und tricyclischen Antidepressiva zu versuchen, was oft eine deutliche Verbesserung der Schmerzsituation bringen kann. Globaler Schmerz
Die richtige Anwendung der Medikamente ist ein wichtiger Teil einer guten Schmerztherapie. Da das Phänomen Schmerz aber nie auf die rein körperliche Dimension reduziert werden kann, kommt der Beachtung der anderen Faktoren eine entscheidende Rolle zu. Einsamkeit, der Verlust der Selbständigkeit, der gesellschaftlichen Bedeutung, der sozialen Kontakte, der körperlichen Integrität, die Angst vor der Zukunft, die Aufgabe des eigenen Haushaltes sind nur einige Elemente, die einen körperlichen Schmerz massiv verstärken können. Der Einbezug der Biographie in die Betreuung und die Hilfe bei der Verarbeitung der Verluste sind wichtige Begleitmassnahmen, die in die Pflegeplanung einzubeziehen sind. Die Behandlung chronischer Schmerzen bei älteren Menschen ist eine sehr wichtige, oft noch vernachlässigte Aufgabe. Mit dem nötigen Grundwissen kann diesen Patienten sehr viel Lebensqualität zurückgegeben werden! Literatur auf Anfrage beim Verfasser
Dr. med. Roland Kunz Ärztlicher Leiter Pflegezentrum Spital Limmattal 8952 Schlieren [email protected]
Nos Cunradus Dei gratia comes iunior de Vehingen et domina Elizabet uxor nostra legitima recognoscimus et constare cupimus universis presentibus et futuris tenorem presentium inspecturis, quod nos de unanimi consilio et voluntate coadunata manu vendidimus, tradidimus ac dedimus, vendimus, tradimus ac damus per presentes religiosis viris abbati et conventui de Brunnebach ac eorum monasterio bona no
ERNW Newsletter 3 / Juli 2003 Liebe Partner, liebe Kollegen, willkommen zur neuen Ausgabe des ERNW-Newsletters, die sich diesmal mit der allgegenwärtigen und stetig ansteigenden Spam-Flut beschäftigt. Der Begriff "Spam" geht nach herrschender Meinung auf ein amerikanisches Dosenfleisch umstrittener Geschmacksgüte namens "SPAM" ["Spiced HAM", der Hersteller legt