DIRK LANZERATH, Bonn Adresse: Deutsches Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaften (DRZE) Bonner Talweg 57 D-53113 Bonn Tel.: +49 228-33641930 - Fax : +49 228-33641940 e-mail: [email protected] - Internet: www.drze.de Die normative Funktion des Krankheitsbegriffs und
die Medikalisierung der menschlichen Lebenswelt
Bestimmen Anthropotechniken und Enhancement
die Zukunft des Menschen? Shizuoka, September 2007 Die normative Funktion des Krankheitsbegriffs und die Medikalisierung der menschlichen Lebenswelt . 1 Bestimmen Anthropotechniken und Enhancement die Zukunft des Menschen? . 1 Einführung . 1 A. Die ethische Funktion des Krankheitsbegriff und die Zielsetzungen der moderne Medizin. 3
1. Krankheit und die Natur des Menschen. 3 2. Krankheit und ärztliches Handeln . 4 3. Selbstbestimmung und Indikation . 6
B. Medizinische Machbarkeit und Medikalisierung unserer Lebenswelt . 7 C. Anthropotechniken in Medizin und Gesellschaft . 10
1. Anthropotechniken als Problem kollektiver Verantwortung. 12
a. Enhancement und die Ökonomie der Gesundheitssysteme . 13 b. Enhancement und kompetitive Fairness. 15
2. Anthropotechniken als Problem des individuellen Selbstentwurfs. 17
a. Die Verantwortung des Menschen für sich selbst: Zwischen Gestaltung und Verfremdung. 17 b. Authentische Lebensgestaltung . 19 c. Moralischer Status der menschlichen Kontingenz. 20
Einführung
Mit gentechnisch hergestellten Wachstumshormonen als
Dopingmittel im Sport, Korrekturen der Körperästhetik in der
kosmetischen Chirurgie, Spekulationen über den möglichen
Einsatz von gentherapeutischen Verfahren zur Steigerung der
Gedächtnisleistung oder zur Minderung des Agressionsverhaltens
scheinen uns Biowissenschaften und Biotechnik ein immer
größeres und scheinbar unendliches Spektrum an
Eingriffsmöglichkeiten in die menschliche Natur zu bieten.
Diese Möglichkeiten – ob nun Science oder Fiction - führen uns
eine neue Qualität und Tiefe der Eingriffe vor Augen, die auch
die Frage nach ihrer Reichweite und Grenzziehung aufwerfen.
Läuten sie damit den Beginn einer neuen Ära der Medizin ein,
die sich zunehmend auf das Feld offener Formen von
Anthropotechnik wagt? Er gibt sich gar ein völlig neues
Methodenspektrum mit erweiterten Ziel- und Zwecksetzungen, die
zu radikalen Umbrüchen in bekannten Berufsbildern,
gesellschaftlichen Ansprüchen und Formen individueller
Selbstgestaltung führen? Dies erfordert sehr grundsätzlichen
Überlegungen über die Strukturbedingungen und Zielsetzungen
der modernen Medizin und ihrer Differenz zu prinzipiell
Ich möchte im Folgenden zeigen, dass der Krankheitsbegriff in
handlungsleitender, normativer Absicht das Handlungsfeld der
Medizin sinnvoll begrenzen und strukturieren kann (A), dass
die damit einhergehende Unterscheidung zwischen
Krankheitsbehandlung einerseits und Enhancement andererseits
sowie zwischen Medizin und Anthropotechnik klar und notwendig
ist, um Medikalisierungstendenzen in der Gesellschaft
vorzubeugen (B). Doch ist die Unterscheidung zwischen Medizin
und Anthropotechniken über den Krankheitsbegriff keineswegs
hinreichend für eine weitergehende Bewertung von
Anthropotechniken. Sie muss erst noch geleistet werden (C).
Diese Überlegungen im letzten Teil dieser Ausführungen aus
Sicht der philosophischen Ethik erfolgen 1. im Blick auf
Kriterien einer gerechten Gesellschaft und kollektiven Verantwortung und 2. im Blick auf unser je eigenes Potential
zur individuellen Selbstgestaltung. A. Die ethische Funktion des Krankheitsbegriff und die Zielsetzungen der moderne Medizin1
Fragt man nach Kriterien, die das Handlungsfeld der Medizin
beschreiben, dann stößt man unvermittelt auf das Begriffspaar
Krankheit/Gesundheit (vgl. bereits Aristoteles). Doch wird die
Gesundheit von uns oftmals gar nicht als eigener Zustand
begriffen. Wir bemerken sie erst dann, wenn wir ihr Gegenteil
erfahren, wenn wir krank sind. Daher spricht Hans Georg
Gadamer zu Recht von der „Verborgenheit der Gesundheit“.2 Es
ist die Krankheit, die uns zu schaffen macht, die uns oft
daran hindert, Ziele unseres Lebens zu erreichen.
Aufgrund dieser anthropologisch zentralen Bedeutung ist die
Frage nach der Krankheit so alt wie die Menschheit selbst.
Jeder von uns begegnet im Verlauf seines Lebens immer wieder
Krankheiten und kranken Menschen. Die damit verbundene
Auseinandersetzung mit Krankheit und Kranksein wird zu einer
existentiellen Grunderfahrung, die in vielfältiger Weise den
individuellen Lebensentwurf prägt.3 Nun handelt es sich bei dem
Krankheitsbegriff nicht um eine einfache Zustandsbeschreibung,
sondern um ein komplexes semantisches Gebilde, bei dem jede
einfache Definition – wie immer bei Grundbegriffen –
1. Krankheit und die Natur des Menschen Welche Momente im einzelnen in den Krankheitsbegriff
einfließen, hängt in hohem Maße von der Position des
Betrachters ab, sei es als Pathologe, Kliniker, Patient,
1 Vgl. hierzu ausführlich: LANZERATH, D. (2000): Krankheit und ärztliches Handeln. Zur Funktion des Krankheitsbegriffs in der medizinischen Ethik, Freiburg i.Br., 2 GADAMER, H.-G. (1993): Über die Verborgenheit der Gesundheit. Aufsätze und Vorträge, Frankfurt a.M. 3 Schlägt man jedoch medizinische Handbücher oder Lexika auf, so fällt auf, dass viele Krankheiten im Detail beschrieben sind, man aber häufig vergeblich nach dem Stichwort „Krankheit“ sucht. Vom Arzt und Philosoph K. Jaspers stammt die Bemerkung: „Was gesund und was krank im allgemeinen bedeutet, darüber zerbricht sich der Mediziner am wenigsten den Kopf“, JASPERS, K. (51965): Allgemeine Psychopathologie, Wien, 652. Doch wird der Begriff der „Krankheit“ von Ärzten, Patienten und all denen, die mit dem Gesundheitswesen zu tun haben, nicht nur verwendet, sondern für unentbehrlich gehalten – nicht zuletzt aufgrund seiner ethischen Funktion.
Krankenversicherung oder Gesellschaft. Eine univoke
Verwendungsweise des Krankheitsbegriffs ist offensichtlich
nicht möglich. Hegemoniale Interpretationen von Krankheit
führen zu erheblichen praktischen Problemen und machen den
Arzt bei einer mechanistisch-naturalistischen
Krankheitsinterpretation zum reparierenden „Mechaniker“.4 Bei
einem emphatischen Krankheitsverständnis, angelehnt an die
umfassende Gesundheitsbeschreibung der WHO – die Gesundheit
auffasst als das vollkommene physische, psychische und soziale
Wohlbefinden5 – wird der Arzt für alle Belange der menschlichen
Lebenswelt zuständig oder aber jeder Beruf wird zu einem
Hinter unserer Krankheitsvorstellung und unserem
Krankheitsempfinden stehen anthropologische Grundannahmen, die
sich auf unser Verhältnis zu Körper und Leib beziehen. Dieses
Verhältnis macht reine, empirisch erhobene Daten erst zu
interpretablen Größen im Handlungsfeld der Medizin: Blutwerte,
DNA-Sequenzen oder histologische Befunde sind zunächst Daten
neben anderen. Ihre Krankheitsrelevanz ergibt sich erst aus
der Korrelation zu einem bestimmten Zustand des Menschen, den
wir auch in Unkenntnis der Daten als Krankheit bezeichnen.
Erst über die Krankheit selbst bewerten wir die Labordaten,
nicht umgekehrt. Der Umkehrschluss ist nur aus der vorgängigen
Erfahrung zulässig und lässt dann sogar eine Prädiktion zu,
die zu einem präventiven Handeln am gesunden Menschen führen
2. Krankheit und ärztliches Handeln Fragt man nun von der Arzt-Patient-Relation und dem
Handlungskontext der Beteiligten aus nach dem, was sie unter
Krankheit verstehen, dann bezeichnet „Krankheit“ einen Zustand,
den der betreffende Patient als Störung seines Wohlbefindens
4 Vgl. BAYLES, M. D. (1978): Physicians as Body Mechanics. In: J.W. Davis/B. Hofmaster/S. Shorten (eds.), Contemporary Issues in Biomedical Ethics, Clifton, NJ, 167-178.
empfindet, und zwar als eine solche, die ihn veranlasst, beim
Arzt um Hilfe und Heilung oder zumindest um Schmerzlinderung
nachzusuchen.6 Die Dimension der Hilfs- und damit
Behandlungsbedürftigkeit ist keineswegs nur eine Modifikation
naturwissenschaftlich-empirischer Krankheitsbestimmung,
vielmehr steht gerade sie für den Kranken im Mittelpunkt. Der
Krankheitsbegriff bestimmt sowohl die Bewertung des subjektiven Zustandes durch den Patienten wie durch den Arzt:
er steuert die Erwartungen des Patienten, reguliert das
ärztliche Handeln. Somit formuliert er die normative
Vorstellung, die die Anerkennung der Hilfsbedürftigkeit des
Patienten und die vom Patienten ausgehende Aufforderung zum
ärztlichen Handeln bestimmen. Aus zu interpretierenden
natürlichen Vorgegebenheiten, dem Selbstempfinden des
erkrankten Subjekts im gesellschaftlichen Kontext erwachsen
ärztliche Aufgabe und Auftrag in Form von Diagnose, Heilung,
Versteht man den Krankheitsbegriff als einen solchen
Handlungsbegriff, der ein Sollen ausdrückt, dann kann er nicht
aus der Natur einfach abgelesen werden. Dies bedeutet jedoch
nicht, dass ein Rekurs auf die Natur im Blick auf den
Krankheitsbegriff nicht möglich wäre. Im Gegenteil ist dieser
Rekurs unverzichtbar. Doch erfolgt dieser Naturbezug nicht in
gleicher Weise wie innerhalb der Naturwissenschaften. Vielmehr
verhält sich der Mensch zu seiner Natur wertend. Im Arzt-
Patient-Verhältnis ist dann zu bestimmen, was gemäß der
individuellen Natur des Patienten für diesen zuträglich oder
Die Zuträglichkeiten und Abträglichkeiten beziehen sich auf
die natürlichen Voraussetzungen für ein gelingendes
5 "Health is a state of complete physical, mental and social well-being and not merely the absence of disease or infirmity.", WHO (1946): Constitution of the World Health Organization, 22 July 1946, Off. Rec. WHO 2, 100. 6 Vgl. ROTHSCHUH, K E (1972): Der Krankheitsbegriff. In: ders. (1975), Was ist Krankheit? Erscheinung, Erklärung, Sinngebung (Wege der Forschung CCCLXII), Darmstadt, 397-420
menschliches Leben. Genau diese können durch Krankheit
beeinträchtigt und als solche zum Gegenstand ärztlichen
Handelns werden.7 Da Gesundheit ein Gut, aber nicht das Gute
ist, befasst sich der Arzt mit einem Teilbereich der
Gelingensbedingungen, aber nicht mit dem Gelingen selbst, denn
dafür trägt jeder eigenständig die Verantwortung. Weder der
individuelle Lebensentwurf noch das völlige soziale
Wohlbefinden können ernsthaft Gegenstand ärztlichen Handelns
Der normative Charakter des Krankheitsbegriffs wird deutlich,
wenn man nach der Rechtfertigung des ärztlichen Eingriffs in
die physische Integrität eines Menschen fragt, die sich nicht
aus sich selbst heraus ergibt. Ein solcher Eingriff kann erst
dann legitimiert werden, wenn zum Patientenwillen eine von der
Zielsetzung des ärztlichen Handelns geforderte Indikation
tritt. Zu dieser Zielsetzung gehört unverzichtbar der Bezug
auf die zu diagnostizierende, zu therapierende oder zu3. Selbstbestimmung und Indikation Die dargelegte Bindung ärztlichen Handelns an
Krankheitsbegriff und Indikation, die zum Patientenwillen
hinzutritt, ist keineswegs unumstritten. Die mit den neuen
Handlungsmöglichkeiten der modernen Medizin verbundenen
Risiken und Gefahren – so wird vielfach diskutiert8 – seien
nämlich auch dann berechenbar, wenn man alle Handlungsoptionen
in der Medizin grundsätzlich zulassen würde, aber jedem
Einzelnen aufgrund seines Rechts auf Selbstbestimmung die
Entscheidung, ob er einen entsprechenden Eingriff will oder
7 Vgl. NORDENFELT, L (1987): On the nature of health. An action-theoretic approach. (Philosophy and Medicine 26), Dordrecht et al., 88. 8 Vgl. LANZERATH, D (1998): Prädiktive genetische Tests im Spannungsfeld von ärztlicher Indikation und informationeller Selbstbestimmung. In: Jahrbuch für Wissenschaft und Ethik 3, 193-203, 198-199; BIRNBACHER, D (1997): Patientenautonomie und ärztliche Ethik am Beispiel der prädiktiven Diagnostik. In: Jahrbuch für Wissenschaft und Ethik 2, 105-119
nicht, ganz selbst überließe. Die an die Autonomie des
Patienten gebundene Zustimmung nach Aufklärung (informed
consent) wäre dann unabhängig von grundsätzlichen Zielvorgaben
das einzige Regulativ ärztlichen Handelns. Betrachtet man
Freiwilligkeit und Selbstbestimmung als isolierte Kriterien
für die Legitimation einer ärztlichen Handlung, dann stellt
der Arzt naturwissenschaftlich erhobenes und gesichertes Wissen
in Form technischen Handelns zur Verfügung und jedem Klienten
muss es freigestellt sein, welche Behandlung er wünscht.
Mit dieser Forderung wird jedoch die gesamte Last der Verantwortung auf den Einzelnen übertragen. Der Vorschlag
erfordert, dass jeder Klient, der sich einem medizinischen
Eingriff unterzieht, alle Details kennt und die Folgen des
Eingriffs antizipieren kann. Diese Voraussetzungen sind jedoch
fragwürdig. Bei Handlungen, die so tief in die Integrität von
Leib und Leben eingreifen, können diese Verfahren nur dann
verantwortbar praktiziert werden, wenn die Zielsetzungen
ärztlichen Handelns grundsätzlich nicht zur Disposition stehen,
denn die Bedürftigkeit stellt sich auch immer als eine
Wehrlosigkeit dar, die die aktuelle Form der Selbstbestimmung
eingrenzt. Dies impliziert selbstverständlich keine Rückkehr
zum Paternalismus, sondern nur, dass das Kriterium der
Autonomie durch die Zielvorgabe der Krankheitsbehandlung
ergänzt werden muss und die Selbstbestimmung in diesem
spezifischen Handlungsfeld nicht ins Beliebige gehen kann.
B. Medizinische Machbarkeit und Medikalisierung unserer Lebenswelt9
9 Dieser Teil ist hier nur sehr knapp gefasst und an anderer Stelle ausführlich behandelt: LANZERATH, D. (2000): Krankheit und ärztliches Handeln. Zur Funktion des Krankheitsbegriffs in der medizinischen Ethik, Freiburg i.Br., 78-85, 270-286.
Während sich Medizin10 traditionell durch ein auf recht enge Ziele gerichtetes Handeln ihrer Akteure auszeichnet, lassen
sich demgegenüber Naturwissenschaft und Technik – d.h. auch
die Biotechnik – als prinzipiell zieloffen charakterisieren.
Je mehr sich Medizin versteht und verstanden wird als
Anbieterin biowissenschaftlicher und biotechnischer Methoden,
desto eher wird sie als reine Dienstleistung wahrgenommen, die
sich an der technischen Machbarkeit und am Kundenwunsch
„Dienstleistungsmedizin“ werden die Verbesserung der
„perfekten“ Gesundheitszustands („wellness“) u.a. diskutiert.
Damit würde die Verbesserung der menschlichen Natur im Sinne
einer Leistungssteigerung zu einem medizinischen Desiderat,12
d.h. zur Krankheitsbehandlung tritt das Enhancement. Es
vollzieht sich auf diese Weise ein Wandel vom „Patienten“ zum
„Kunden“. Ein solches „ärztliches“ Handeln würde dann
marktgerecht über Angebot und Nachfrage geregelt und das bislang
an die ärztliche Teleologie gebundene Arzt-Patient-
Vertrauensverhältnis würde durch ein reines, individuelles
Vertragsverhältnis ersetzt werden, das auch die Verbesserung
der menschlichen Natur, also Enhancement zuließe.13
Das Grundproblem der Wahl der Mittel in der Medizin ist ja
nicht neu, denn die Ambivalenz und prinzipielle Zieloffenheit
der dem Arzt zur Verfügung stehenden Mittel war bereits
10 Vielfach wird die Medizin nicht mehr als eigenständige praktische Wissenschaft verstanden, sondern als eine angewandte Naturwissenschaft. Aber genauso wenig, wie sich die Geschichtswissenschaft als angewandte Sigelkunde versteht, sollte sich die Medizin über ihre Hilfsdisziplinen definieren. Vielmehr sind ihr spezifischer Gegenstandsbereich, ihre eigenen Methoden und ihre Zielsetzung in den Blick zu nehmen. 11 Vgl. CALLAHAN, D. et al. (1996): The Goals of Medicine. Setting Priorities. Special Supplement. Hastings Center Report 26 (November-December). 12 vgl. besonders SINSHEIMER, R.L. (1987): The Prospect of Designed Genetic Change, in: CHADWICK, R.F. (ed.): Desire and design: ethics, reproduction and genetic control, London et al., 136-146; SILVERS, A. (1994): „Defective“ agents: equality, difference and the tyranny of the normal, in: Journal of Social Philosophy, 25th Anniversary Special Issue, 154-175; WALTERS, L.; PALMER, J.G. (1997): The ethics of human gene therapy, New York; LANZERATH 2000; ENGELHARDT, H.T. JR. (1987): Gentherapie an menschlichen Keimbahnzellen: Kann und soll die ‘Schöne neue Welt’ verhindert werden?, in: BRAUN, V.; MIETH, D.; STEIGLEDER, K. (Hg.): Ethische und rechtliche Fragen der Gentechnologie und der Reproduktionsmedizin, München 1987, 255-262. 13 Vgl. LANZERATH 2000, 276.
Gegenstand der hippokratischen und aristotelischen Schriften.
Das Arzneimittel, das heilen soll, kann in anderer Dosierung
zur schädlichen Droge oder zum tödlichen Gift werden. Doch
hier wird eine andere Grenzziehung14 in Frage gestellt, nämlich,
die, die dem Arzt bislang erlaubte, dasselbe Medikament bei
der einen Person als Lifestyle-Präparat aufgrund einer
fehlenden Indikation abzulehnen und es bei einer anderen als
Heilmittel zu verabreichen, um eine Krankheit zu heilen.15 Die
Gefahr, dass immer mehr Krankheiten erfunden werden (bspw. die
Wechseljahre des Mannes), um die Berechtigung zu
unterstreichen bestimmte Verfahren oder Medikamente im
Handlungsfeld der Medizin zu etablieren, ist heute größer denn
Wenn Eltern eines Mädchens, das auf der Basis statistischer
„normalwüchsig“ bezeichnet werden kann, um eine
Wachstumshormonbehandlung16 bitten, weil der Berufswunsch
„Model“ eine bestimmte Idealgröße impliziert, dann ist zu
diskutieren, ob es unabhängig von der Frage der vormundlichen
Verantwortung der Eltern und unabhängig von der Frage der
gesundheitlichen Risiken eines solchen Behandlungstyps sowie
der tatsächlichen Behandlungseffekte Kriterien gibt, die eine
solche Behandlung in Frage stellen.17 Hier ist die Überlegung
mit einzubeziehen, ob kindliche oder elterliche Zukunftsängste
– z.B. im Blick auf die Berufswahl – in dem hier behandelten
14 Vgl. hierzu LANZERATH 2000; SIEP, L. (1998): Natur als Norm? Zur Rekonstruktion eines normativen Naturbegriffs in der angewandten Ethik, in: DREYER, M.; FLEISCHHAUER, K. (Hg.): Natur und Person im ethischen Disput, Freiburg, 191-206 sowie SIEP, L. (1999): Bemerkungen zum Begriff der Natürlichkeit, in: Jahrbuch für Wissenschaft und Ethik 4, 267-282. 15 Vgl. COLE-TURNER, R. (1998): Do means matter?, in: PARENS, E. (ed.): Enhancing human traits: ethical and social implications, Washington, (Hastings Center studies in ethics), 151-161, 160: „the same technology applied to different persons with different capabilities will in fact have similar but significantly different effects, and we must learn to understand as fully as possible the differences between persons and between the ways in which the same technology might affect them“. 16 Vgl. RUNKEL, TH./RÜNGER, M./FUCHS, M./LANZERATH, D./HAVERKAMP, F., Wachstumshormontherapie bei Kindern ohne Wachstumshormonmangel: Therapie – Enhancemant – Futile Care, in: Jahrbuch für Wissenschaft und Ethik (10) 2005, 355-376. 17 Die Bedeutung der Relation von Körpergröße und Lebensgestaltung ist ja keineswegs abwegig, wenn man empirische Untersuchungen zur Grundlage nimmt, die eine Korrelation zwischen Körpergröße und beruflichem Erfolg messbar machen.
Kontext auf ein einziges Moment physischer Dispositionen
reduziert werden, das nicht oder nur sekundär mit dem
eigentlichen psychosozialen Problem verbunden ist, und damit
eine Behandlung erfährt, die hinsichtlich des Mitteleinsatzes
Es soll an dieser Stelle keineswegs bestritten werden, dass
diese an die Medizin herangetragenen Probleme ernst zu nehmen
sind. Ob die Lösung aber in jedem Fall der Medizin obliegt und
ob die angebotenen Mittel die adäquaten sind, muss hinterfragt
Damit ist aber noch nicht geklärt, ob sich außerhalb der
Medizin der Wunsch nach Enhancement einreiht in akzeptierte
Leistungssteigerungen oder Verbesserungen der menschlichen
Natur, wie wir sie auch bspw. bei Erziehungs- und
Bildungskonzepten verfolgen. Reiht sich das Verlangen nach der
Anwendung von Anthropotechniken nicht ganz allgemein ein, in
C. Anthropotechniken in Medizin und Gesellschaft20
Der Gedanke wissenschaftliches, biowissenschaftliches und
medizinisches Wissen zur Überschreitung natürlicher Grenzen
und menschlichen Leistungssteigerung nutzen zu wollen, ist ja
nicht neu. Francis Bacon wollte die viel zitierte Macht des
Wissens, gerade des naturwissenschaftlichen Wissens, für
praktische Zwecke einsetzen (Novum Organon 1620). In der
18 In diesem Zusammenhang ist auch zu diskutieren, inwieweit eine ästhetische Korrektur zwar Benachteiligung und Leid mildern könnte, damit aber zugleich durch einen solchen Eingriff jene ästhetischen Wertvorstellungen und Stereotype bestärkt werden, die ursächlich für diese Benachteiligung und dieses Leid sind (DAVIS (1998); LITTLE (1998)). 19 Vergleiche z.B. zur Geschichte der kosmetischen Chirurgie: GILMAN, S.L. (1999): Making the Body Beautiful. A Cultural History of Aesthetic Surgery, Princeton. 20 Vgl. hierzu ausführlicher LANZERATH, D. (2002): Enhancement: Form der Vervollkommnung des Menschen durch Medikalisierung der Lebenswelt?, in: Jahrbuch für Wissenschaft und Ethik 7, Berlin, Heidelberg, New York 319-336; FUCHS, M, LANZERATH, D. et al. Enhancement. Die ethische Diskussion über biomedizinische Verbesserungen des Menschen. drze-Sachstandsberichte 1, Bonn (mit ausführlichem Literaturverzeichnis).
Utopia des „Neu-Atlantis“ soll mit Hilfe der neuen Wissenschaft eine neue, bessere Gesellschaft geformt werden.
Knapp zwanzig Jahre später (1637) ist es Descartes, der das
Thema aufwirft. Im selben Kapitel des Discours de la méthode,
in dem er den Menschen als „maîtres et possesseurs de la
nature“ („Herrn und Besitzer der Natur“) charakterisiert,
schreibt er der Medizin die Aufgabe zu „das erste Gut und die
Grundlage aller anderen Güter des Lebens“ zu erhalten, nämlich
die „Gesundheit“. Aber darüber hinaus sei die Medizin der Ort,
wo man suchen müsse, um den Menschen „ganz allgemein weiser
und geschickter“ zu machen, ja ihn vielleicht sogar vor
Altersschwäche zu bewahren. Also ein früher Beitrag zur
Die Frage nach dem Einsatz von Anthropotechniken geht von
einer medizinethischen Frage über in eine Frage nach unserer
Idee vom Humanum selbst. Die Verwirklichung des menschlichen
Lebens in der Form, dass der Mensch immer wieder über sich
hinaus wächst, gehört unmittelbar zum Wesen des Menschen. Doch
so alt die ständigen Grenzüberschreitungen in Lebensentwurf
und Selbstgestaltung sind, so alt sind auch die begleitenden
Diskussionen darüber, ob und welche Grenzen den
Grenzüberschreitungen gesetzt werden müssen. Die Beantwortung
der Frage nach solchen Grenzen ist nicht loszulösen von der
Frage nach den Zielen gelingenden Lebens. Denn das Streben,
diese Ziele zu erreichen, liefert den Rahmen, in dem sich die
Da wir unsere eigene Natur zur Gestaltung und Vervollkommnung
vorfinden, muss man nicht diversen historischen Utopie-
Vorstellungen folgen oder Nietzsches Idee vom Übermenschen
anhängen, wenn man über die Vervollkommnung des Menschen
nachdenkt. In verschiedenen abendländischen Traditionen wird
das Gelingen gleichgesetzt mit dem Streben nach einer
bestimmten Form der „Vollkommenheit“.21 Im Rahmen der
Möglichkeitsbedingungen seiner Natur macht sich der Mensch zu
dem, was er ist: ein sich selbst übersteigendes, d.h. transzendierendes Wesen. Da die Vollkommenheit, das
vollkommene Glück, der Zustand, an dem es an nichts fehlt,
ideale Endzustände sind, vollzieht sich der Weg dorthin immer
über reale Teilziele: Verbesserung und Vervollkommnung der
physischen und psychischen bzw. mentalen Fähigkeiten und
Eigenschaften. Das Ziel der ethischen Fragestellung liegt dann
darin, festzustellen, wie die Zieleim einzelnen zu bewerten
sind und welche Mittel hinsichtlich des Vollzugs der
Selbstvervollkommnung nach eigenem Entwurf angeraten sind, um
diese Ziele zu verfolgen. Da zum Entwurf auch das Scheitern-
Können, das Sich-im-Entwerfen-Verlieren gehört, ist der
Einsatz von Anthropotechniken daraufhin zu befragen, ob sie
mehr zum Gelingen oder mehr zum Scheitern beitragen, ob sie
das „Projekt des Humanum“ beschleunigen oder eher begraben.
Wenden wir uns zunächst den gesellschaftlichen
1. Anthropotechniken als Problem kollektiver Verantwortung22
Mit der auf die Gesellschaftsform bezogenen Frage nach der
Rechtfertigbarkeit oder der Ablehnung von Anthropotechniken
und ihrer Ziele sind Probleme hinsichtlich unsere
intersubjektiv geteilten Wertvorstellungen oder Tugenden wie
Gerechtigkeit und Solidarität angesprochen. Wie werden in
einer Solidargemeinschaft individuelle Bedürfnisse,
21 Diese Vollkommenheit kann in der Erreichung der Eudaimonia liegen (Aristoteles), in der Orientierung auf Gott hin (Thomas von Aquin) oder verbunden sein dem Bemühen der Vernunft nach Selbstverpflichtung (Kant). Vgl. hierzu ausführlich PASSMORE, J. (1975): Der vollkommene Mensch. Eine Idee im Wandel von drei Jahrtausenden, Stuttgart (Engl. Orig.: The Perfectibility of Man, London 1970). 22 Für die Erarbeitung dieses Abschnitts verdanke ich viele wertvolle Hinweise Ingo Hillebrand und seinen Ausführungen im Sachstandsbericht des Deutschen Referenzzentrums für Ethik in den Biowissenschaften „Enhancement“, Bonn 2002.
Unterschiede, Ungleichheiten, Gesundheitsverluste sowie
a. Enhancement und die Ökonomie der Gesundheitssysteme
Auf diesem Hintergrund gilt als eine Schlüsselfrage in der
gesundheitsökonomischen Diskussion zu Enhancement und
Anthropotechniken, wie sie derzeit vor allem in den USA
geführt wird, die, ob und inwieweit die Unterscheidung
zwischen „ärztlicher Behandlung“ („Treatment“) einerseits und
„Enhancement“ andererseits als Grenzmarkierung gerechter,
gerechtfertigter und entsprechend zu erfüllender Ansprüche
gegenüber den Trägern des Gesundheitswesen aufzufassen sei.23
Ausgangspunkt der Überlegungen sind egalitäre Konzeptionen von
Medizin und Gesundheitsfürsorge als Instrumente zur
Kompensation natürlicher Ungleichheiten, die sich individuell
negativ auswirken. Im Falle einer krankheitsbedingten
Abweichung von den psychophysischen Normalfunktionen des
Menschen soll eine Chancengleichheit gewährt werden. Dabei
wird auf den Krankheitsbegriff von C. Boorse zurückgegriffen,24
der unter Krankheit eine „biologische Dysfunktion“ im Sinne
einer „Abweichung von einer artspezifischen
Normalfunktion“ versteht, die sich nach den Ansprüchen der
Umwelt an den Organismus richtet.25 Daran anknüpfend und die
Ressourcenknappheit im Gesundheitssystem berücksichtigend wird
von Norman Daniels und James Sabin vorgeschlagen, nur
diejenigen medizinischen Interventionen zu gewährleisten, die
für die Wiederherstellung oder den Erhalt der organismischen
Normalfunktionen notwendig sind. Gehen medizinische Eingriffe
darüber hinaus und wird auf eine hinsichtlich der
Normalfunktion nicht mehr relevante Verbesserung der
menschlichen Natur abgezielt, dann sollten hierfür im
23 Ich selbst verwende den Ausdruck „Behandlung“ hingegen als neutralen Oberbegriff für Therapie, Diagnose, Prävention, Palliation und Enhancement. 24 Vgl. BOORSE, C. (1977): Health as a theoretical concept, in: Philosophy of Science, 44, 542-573; BOORSE, C. (1997): A rebuttal on health, in: HUMBER, J.M.; ALMEDER, R.F. (eds.): What is disease?, Totowa, NJ, 1-134, 6-16.
solidargemeinschaftlichen Gesundheitssystem keine finanziellen
Ob diese Grenze zwischen Treatment und Enhancement jedoch
tragfähig ist und verbindlich sein kann, wird in der
Diskussion in Zweifel gezogen. Denn die Berufung auf einen
biologisch begründeten Normalitätsbegriff sowie der Ausschluss
von Behandlungen psychophysischer Beeinträchtigungen, die
nicht ohne weiteres auf negative Abweichungen von den
jeweiligen Normalfunktionen rückführbar sind, können als
ungerecht empfunden werden. Versteht man zudem den
Gerechtigkeitsbegriff nicht egalitär, dann ist auch zu klären,
ob nicht auch innerhalb des Normbereichs liegende Varianzen zu
behandeln sind, wenn diese für die Betroffenen zu
Die normative Tragweite der Unterscheidung zwischen
„Treatment“ und „Enhancement“ wird auch jenseits der
unmittelbar die Gerechtigkeit betreffenden Überlegungen
kritisiert, wenn sie sich nicht mit einer etablierten Praxis
innerhalb des öffentlichen Gesundheitssystems deckt. Denn auch
gegenwärtig gewährleisten verschiedene Gesundheitssysteme
Behandlungsformen, die über die Wiederherstellung oder
Bewahrung einer psychophysischen Normalfunktion hinausgehen.
Prominentes Beispiel hierfür ist der Schwangerschaftsabbruch.
Umgekehrt werden Behandlungen aufgrund der finanziellen
Anspannung im Gesundheitssystem nicht abgerechnet, obwohl sie
deutlich unter die Begriffe Diagnose, Therapie oder Prävention
25 Vgl. hierzu ausführlich LANZERATH 2000, 117-125. 26 Vgl. DANIELS, N. (1985): Just health care, New York; DANIELS, N.; WINKLER, D. (2000): From chance to choice: genetics and justice, New York; DANIELS, N. (2000): Normal functioning and the treatment-enhancement distinction, in: Cambridge Quarterly of Healthcare Ethics, 9, 309-322; SABIN, J.E.; DANIELS, N. (1994): Determing "medical necessity" in mental health practice: a study of clinical reasoning and a proposal for insurance policy, in: The Hastings Center Report, 24, 6, 5-13. Dies sagt jedoch nichts darüber aus, ob eine Gesellschaft prinzipiell einer solchen Ausweitung der Gesundheitsversorgung nicht doch zustimmen könnte, und es wird damit auch nicht bestritten, dass Verbesserungen der menschlichen Natur über ihre Normalfunktion hinaus durchaus wünschenswert sein könnten - unabhängig von einer solidargemeinschaftlichen Finanzierung.
fallen. Dies ist besonders dann der Fall, wenn einem hohen
Aufwand von Ressourcen ein nur geringfügiger Nutzen
entgegensteht28 oder die finanziellen Belastungen als zumutbar
gelten. Eine Debatte über diese Probleme wurde bspw. geführt,
als es darum ging, Infertilität als Krankheit anzuerkennen und
die künstliche Befruchtung (IVF) als Infertilitätstherapie
kassenärztlich abzurechnen. Hier wird deutlich, dass auch dann,
wenn der Boorse‘sche Krankheitsbegriff auf den ersten Blick
als im Gesundheitssystem gut operationalisierbar scheint, er
Probleme macht bei der Definition des „Normalen“ und
subjektive sowie soziale Aspekte des Krankheitsbegriffs nicht
Gleichwohl können auch nicht solidargemeinschaftlich
finanzierte Maßnahmen dem Gesundheitssystem zugute kommen. Und
hier wird das Dilemma noch größer: Wenn die medizinische
Normalbehandlung immer mehr mit Mittelknappheit zu kämpfen hat,
kommen jedem Krankenhausträger die außergewöhnlichen Maßnahmen
entgegen, die zwar nicht jedem solidargemeinschaftlich
finanziert zur Verfügung stehen, die aber einen ökonomischen
Gewinn abwerfen, der hilft, den „Normalbereich“ besser
auszustatten. Dies führt freilich jeden Krankenhausträger in
b. Enhancement und kompetitive Fairness
Auch wenn Anthropotechniken es ermöglichen würden, jene von
Natur aus gegebenen psychophysischen Benachteiligungen zu
kompensieren, die sich gesellschaftlich für den Einzelnen
negativ auswirken, so könnten sie aber gleichzeitig die
Möglichkeit zu Vorteilsnahmen im gesellschaftlichen Wettbewerb
27 Ein entsprechendes Alternativmodell, das den Health Care Services eine umfassendere Rolle zuspricht, wird von Sen entwickelt. Vgl. SEN, A. (1990): Justice: means versus freedoms, in: Philosophy and Public Affairs 19, 111-121; SEN, A. (1992): Inequality reexamined, Cambridge. 28 Vgl. BROCK 1998. 29 Vgl. dazu ausführlich LANZERATH 2000, 195ff.
eröffnen. Damit stellt sich die Frage nach der Fairness
innerhalb der Gesellschaft. Als Kriterien stehen dabei im
Mittelpunkt der Respekt vor der Würde des Einzelnen und die
kollektive Pflicht zur Reduktion sozialer Konflikte.30
Liberalistisch orientierte Modelle votieren für einen
weitgehend offenen Zugang zu denjenen Anthropotechniken, die
menschliche Eigenschaften und Fähigkeiten verbessern.
Einschränkungen des Zugangs wären nur dann zu rechtfertigen,
wenn aufgrund von Anthropotechniken eine massive Schädigung
anderer zu erwarten ist.31 Demgegenüber befürworten egalitär
orientierte Modelle vor allem die Gewährleistung solcher
Zugangsmöglichkeiten, die sicherstellen, dass psychophysische
und sozioökonomische Ungleichheiten möglichst aufgehoben
werden können – etwa vergleichbar mit Erziehungs- oder
Bildungskonzepten, zu denen alle den gleichen Zugang haben
sollten.32 Doch selbst wenn es uns gelänge, unsere
Gedächtnisleistungen mittels Biotechnik zu steigern oder unser
Längenwachstum erheblich zu verbessern, gäbe es immer noch
Unterschiede und nur verrückte Proportionen. Es kann sogar das
Gegenteil geschehen, dass nämlich Ungleichheiten nicht
ausgeglichen, sondern vergrößert werden.33
Sicherlich ist die Grenze zwischen Heilbehandlung und
Anthropotechnik hilfreich für die Frage nach den Grenzen des
Finanzierbaren und des Zulässigen, doch bewahrt sie uns nicht
vor Güter- oder Übelabwägungen in einzelnen Handlungskontexten.
30 Vgl. WALTERS in: WALTERS, PALMER 1997, 132. 31 Vgl. WALTERS, PALMER 1997; Eine liberalistische Position wird bspw. von Nozick vertreten. Vgl. NOZICK, R. (1974): Anarchy, state and utopia, New York. 32 Zur Unterscheidung der Modelle siehe: WALTERS, PALMER 1997. 33 Vgl. KAHN, A. (2000): Et l‘homme dans tout ça?, Paris, 259. Doch muss die Inanspruchnahme von Anthropotechniken nicht ausschließlich den Weg zu Vorteilen hinsichtlich des gesellschaftlichen Wettbewerbs bereiten. So kann z.B. eine Steigerung der Konzentrationsfähigkeit zwar auch einen Vorteil im gesellschaftlichen Vergleich bedeuten, aber gleichzeitig – so D. Brock – kann sie zu einem erheblichen intrinsischen Nutzen führen, z.B. der Zunahme intellektueller Freude bei der Lektüre eines anspruchsvollen Buchs oder beim Schauen eines guten Films. In einem solchen Fall den Zugang zu Anthropotechniken zu limitieren, sei dann kaum noch rechtfertigbar. Eine wesentlich an der Vermeidung sozioökonomischer Ungleichgewichte orientierte Begrenzung von Enhancement beinhalte daher stets die Gefahr, auch die Möglichkeit der Erfüllung intrinsischer Werte zu verhindern; vgl. hierzu: BROCK 1998, 60-61; hierzu auch FUCHS, M. (2001): Die Natürlichkeit unserer intellektuellen Anlagen. Zur Debatte um ihre gentechnische Verbesserung, in: Jahrbuch für Wissenschaft und Ethik, 6, 107-122.
Über Fragen von Gerechtigkeit und Solidarität in der
Gesellschaft hinaus, ist mit der Anwendung von
Anthropotechniken das Problem der Grenzen individuellen
Selbstgestaltung angesprochen – ein Aspekt, der sehr
grundlegende Fragen unseres Menschseins aufwirft.
2. Anthropotechniken als Problem des individuellen Selbstentwurfs
Es kann weniger um die grundsätzliche Gestaltung unserer
eigenen Natur gehen – denn wie sollten wir anders ein
gelingendes Leben führen als in Gestaltung unserer Natur – als
vielmehr um die Frage, ob es eine Grenze gibt zwischen
Selbstgestaltung und etwas, was man eher als
„Selbstmanipulation“ bezeichnen müsste.
a. Die Verantwortung des Menschen für sich selbst: Zwischen Gestaltung und Verfremdung
In deutlich stärkerem Ausmaß als in früheren Jahrhunderten
kann sich das aktiv handelnde Subjekt der Moderne und
Postmoderne selbst zum Gegenstand seines eigenen Handelns
machen. Der Mensch plant sich selbst und entdeckt sich als
operabel. Der Theologe und Jesuitenpater Karl Rahner hat
bereits 1966 von „biologischen und psychologischen
(soziologischen und politischen) Werkhallen der
Hominisierung“ gesprochen;34 Peter Sloterdijk spricht von den
Anwendungen von „Anthropotechniken“ für einen
„Menschenpark“ als Maßnahme zur Vollendung des
34 Vgl. RAHNER, K. (1967): Schriften zur Theologie, Bd. VIII, Einsiedeln, Zürich, Köln, 286-321; sowie RAHNER, K. (1966): Experiment Mensch. Theologisches über die Selbstmanipulation des Menschen, in: ROMBACH, H. (Hg.): Die Frage nach dem Menschen: Aufriß einer philosophischen Anthropologie, Festschrift für Max Müller zum 60. Geburtstag, München, 45-69.
Humanismusprojekts – eine Vollendung, die den
Geisteswissenschaften versagt geblieben sei.35
Einzelne Formen des biomedizinischen Enhancements können
möglicherweise menschliches Erleben und Verhalten in einer
Weise verändern, die zugleich Eigentlichkeit und Natürlichkeit
der individuellen Person, d.h. die Persönlichkeit eines
Menschen erheblich beeinflussen.36 Die Anwendung von
Psychopharmaka wird deshalb von einer sowohl in der
Psychiatrie als auch in der Gesellschaft geführten Diskussion
darüber begleitet, in welchen Fällen derartige Medikamente
persönlichkeitsverändernde Wirkung therapeutisch, ethisch und
So wird diskutiert, ob bei hyperaktiven Kindern immer Ritalin
die richtige Antwort ist oder ob es nicht den Schulkonzepten
an Flexibilität mangelt, um den Drang besonders aktiver Kinder
In der Diskusssion um die Anwendung von Antidepressiva auf
Fluoxetinbasis wie Fluctin oder Prozac wird besonders in den
USA die Befürchtung zum Ausdruck gebracht, dass immer mehr
Menschen mit Prozac behandelt werden bzw. sich selbst
behandeln, die nicht krank sind, sondern Schwierigkeiten mit
ihrem Lebensentwurf haben und an Entfremdung leiden.38
35 SLOTERDIJK, P. (1999): Regeln für den Menschenpark. Ein Antwortschreiben zu Heideggers Brief über den Humanismus. Frankfurt a.M. 36 ELLIOTT, C. (1998a): Tyranny of happiness: ethics and cosmetic psychopharmacology, in: PARENS, E. (ed.): Enhancing human traits: ethical and social implications, Washington, (Hastings Center studies in ethics), 177-188; ELLIOTT, C. (1998b): What’s wrong with enhancement technologies?, in: CHIPS Public Lecture, University of Minnesota, February 26, Online-Version unter: http://www.gene.ucl.ac.uk/bioethics/writings/Elliott.html und PARENS 1998. 37 Vgl. SCHATZBERG,A.F. (2000): Pros and cons of Prozac and its relatives: editorial, in: The American Journal of Psychiatry, 157, 3, 323-325; BENDER, K.J. (2000): FDA Advisory Committee recommends Prozac for PMDD, in: Psychiatric Times, XVII, 1. Diese Diskussion ist in den USA vor allem durch das Buch „Listening to Prozac“ von Peter D. Kramer (1997/31993) angeregt worden. 38 Die medizinisch indizierte Verwendung von Psychopharmaka kann zwar einerseits zu einer wünschenswerten Wiederherstellung einer pathologisch überdeckten „eigentlichen Persönlichkeit“ oder einer weiteren Persönlichkeitsentwicklung beitragen, andererseits werden jedoch Fälle diskutiert, bei denen es zu einer starken Verformung des eigentlichen Selbst kommt. Diese Verformung kann zum Verlust der personalen Identität führen und die Wahrnehmung seinerselbst als selbstverantwortliches Subjekt erheblich einschränken. Vgl. ELLIOTT, C. (2000): Pursued by happiness and beaten senseless: Prozac and the American Dream, in: The Hastings Center Report, 30, 2, 7-12, 7-8.; siehe auch FREEDMAN 1998, 137; FUKUYAMA, F. (1999): Der programmierte
Auf der Ebene des Körpers lässt sich Vergleichbares für
Bereiche der Sportmedizin sagen. Auch wenn Doping primär unter
den Aspekten der sportlichen Fairness und den gesundheitlichen
Risiken für die Athleten diskutiert wird, so ist aus ethischer
Sicht auch die Frage nach der Rolle bzw. den Rollenkonflikten
des Arztes zu stellen sowie die Frage nach der Eigentlichkeit
und der Authentizität der sportlichen Leistung.39
b. Authentische Lebensgestaltung
Die Frage nach der „Eigentlichkeit“ der Leistung, stellt sich
nicht nur bei der Anwendung von Anthropotechniken im Sport.
Vielmehr stellt sich generell die Frage, als wie authentisch
wir unsere Lebensgestaltung wahrnehmen, wenn wesentliche Teile
auf anthropotechnische Manipulationen zurückzuführen sind.40
Dies ist nicht nur eine Frage der Bewertbarkeit einer Leistung
von außen, sondern auch eine Frage der Selbstwahrnehmung der
Die individuelle Antwort hierauf geht aber gleichzeitig auch
über das Individuelle hinaus. Wenn es hinsichtlich des
gelingenden Lebens darum geht, genau dasjenige Leben zu führen,
auf das ich ohne Bedauern – oder realistischerweise allenfalls
mit punktuellem Bedauern – zurückblicken kann, dann stellt
sich die Frage, ob diesbezüglich eine bestimmte Lebensweise
vorbildlich, ja sogar allgemein verbindlich42 sein könnte. Wenn
wir Menschen ein normativ konstituiertes Selbstbild haben, zu
Unmensch, in: Süddeutsche Zeitung, 55, 180, o.S.; DEGRAZIA, D. (2000): Prozac, enhancement and self-creation, in: The Hastings Center Report, 30, 2, 34-40, 35-36; EDWARDS, J.C. (2000): Passion, Activity, and „The Care of the Self“, in: The Hastings Center Report, 30, 2, 31-32. 39 Da die Grenzen zwischen Prävention, Therapie, Substitution und Doping jedoch vielfach fließend sind, muss der Arzt die individuelle sportliche Leistungsfähigkeit und damit das Verhältnis von Natürlichkeit, Authentizität und Eigentlichkeit der Leistung zur Künstlichkeit bei der Wahl der Mittel im Blick behalten. Vgl. HOLLMANN, W. (1989): Ethische Gefahren im Hochleistungssport – Reflexionen aus sportmedizinischer Sicht, in: ALLMER, H.; SCHULZ, N. (Hg.): Sport und Ethik: Grundpositionen (Brennpunkte der Sportwissenschaft), Sankt Augustin, 72-83; LANZERATH 2000, 83, 238. 40 BROCK 1998 und JUENGST; E.T. (1998): What does enhancement mean?, in: Parens, E. (ed.): Enhancing human traits: ethical and social implications, Washington, (Hastings Center studies in ethics), 29-47. 41 COLE-TURNER 1998. 42 Vgl. HABERMAS, J. (2001): Die Zukunft der menschlichen Natur. Auf dem Weg zu einer liberalen Eugenik, Frankfurt a.M., 13.
dem es gehört, voneinander solidarische Verantwortung und
füreinander gleichen Respekt erwarten zu können,43 dann kann
eine Gesellschaft Mittel bereithalten, deren Adäquatheit für
einen Selbstentwurf und -vollzug zumindest zweifelhaft
c. Moralischer Status der menschlichen Kontingenz
Das Streben, Unberechenbares in Berechenbares und damit
Gestaltbares umzuwandeln, wird nicht ausschließlich als
positiv bewertet. Vielmehr können die Fragilität des Menschen
und der Widerstand, den die menschliche Natur dem Handelnden
entgegensetzt, auch als Chance verstanden und als Wert auf-
gefasst werden. Die Wertschätzung dieser Fragilität geschieht
genau dann, wenn sie nicht auf ein von Natur aus vorgegebenes
Schicksal reduziert wird, dem es sich zu unterwerfen gilt,
sondern wenn sie als Chance für den Lebensentwurf und die
damit verbundene Sinnstiftung verstanden wird.44
Hieraus ergibt sich dann die normativ und anthropologisch
tiefgreifende Frage, ob sich der Mensch durch die Nutzung von
auf Enhancement ausgerichteten Anthropotechniken, die seine
Wesensnatur verändern und seinen Selbstvollzug gefährden,
nicht in einen Selbstwiderspruch verwickelt.45 Das Bewusstsein
unserer Verwundbarkeit und die Erfahrbarkeit des körperlichen
Widerstands können eine enorme Bedeutung für unsere moralische Identität und unsere Selbstgestaltung annehmen.46 So stellt J.
43 Vgl. HABERMAS 2001, 32 44 Vgl. hierzu auch die sinnstiftende Bedeutung von „Krankheit“ im Lebensentwurf, s. LANZERATH 2000, 204-210. Damit steht die diskutierte genetische Selbsttranszendierung in deutlicher Spannung zu der „vermittelten Unmittelbarkeit“,44 die nach H. Plessner das Kennzeichen der conditio humana ist. 45 Doch es ist anzunehmen, dass eine gesellschaftliche Akzeptanz von Techniken auch in Zukunft kaum schwinden wird, „solange nur die Technisierung der menschlichen Natur medizinisch mit der Erwartung eines gesünderen und längeren Lebens begründet werden kann. Der Wunsch nach autonomer Lebensführung verbindet sich stets mit den kollektiven Zielen von Gesundheit und Lebensverlängerung.“ (HABERMAS 2001, 48); siehe auch RAHNER 1966, 56. 46 Entsprechende Argumentationsfiguren findet man von Platon, über Aristoteles, die Stoiker und Maimonides bis zu Levinas. Vgl. hierzu bes. MCKENNY, G.P. (1997): To relieve the human condition, Albany, N.Y.; MCKENNY, G.P. (1998): Enhancements and the ethical significance of vulnerability, in: PARENS, E. (ed.): Enhancing human traits: ethical and social implications, Washington, (Hastings Center studies in ethics), 222-
Habermas fest, dass eine bestimmte Form von Naturwüchsigkeit
das Bedingungsgefüge darstellt, unter dem wir uns als
„ungeteilte Autoren unserer Lebensgeschichte“47 verstehen und
in dessen Rahmen wir uns gegenseitig als autonom handelnde
Personen anerkennen. Wenn eine bestimmte Form der
Naturwüchsigkeit, Kontingenz und Varianz zu unserer
Wesensnatur gehört, käme zumindest der vollständige Verlust
dieser Naturwüchsigkeit und Kontingenz einer
Selbstinstrumentalisierung der Gattungsnatur gleich.48
Wenn der Mensch mit seiner Natur, zu der er sich verhalten
muss und in die er deshalb diagnostisch und therapeutisch
eingreifen kann, zugleich unaufhebbar identisch ist, sind der
Möglichkeit der Intervention nicht nur Räume eröffnet, sondern
im Blick auf die Wahrung der dem Menschen eigenen Identität
D. Schlussbemerkung
Mit diesen Ausführungen soll folgendes festgehalten sein: Ein
Krankheitsbegriff, der sich nicht nur auf das biologisch
Dysfunktionale bezieht, sondern sich am erkrankten Subjekt und
Arzt-Patient-Verhältnis orientiert, kann das Feld der Medizin
und des ärztlichen Handelns strukturieren und Medizin und
Anthropotechniken distinkt halten. Dabei erweist sich der Arzt
als jene Instanz, die dem um Selbstauslegung bemühten Kranken
nicht nur im engeren Sinne therapeutische, sondern auch –
gegen technizistische Verkürzungen – hermeneutische
Hilfestellung gibt. Doch es gibt jetzt schon Erweiterungen an
den Rändern der Medizin und ihrer Handlungsfelder, die
237; hierzu auch PARENS, E. (1995): The goodness of fragility: on the prospect of genetic technologies aimed at the enhancement of human capacities, in: Kennedy Institute of Ethics Journal, 5, 2, 141-153. 47 Vgl. HABERMAS 2001, 77. 48 Vgl. HABERMAS 2001, 114ff. Das Ende der menschlichen Natur wäre sicherlich darin vorstellbar – so Rahner –, dass sie sich „biologisch zurückkreuzt auf die Stufe einer technisch intelligenten und selbstdomestizierten Australopithekusherde oder eines Insektenstaates ohne den Schmerz der Transzendenz“ Vgl. LANZERATH, D. (1998): Natürlichkeit der Person und mechanistisches Weltbild, in: FLEISCHHAUER, K.; DREYER, M. (Hg.): Natur und Person im ethischen Disput, Freiburg i.Br., 81-104.
zumindest Auflösungserscheinungen erahnen lassen. Wenn
Anthropotechniken zu einem festen Bestandteil der Medizin
werden sollten, wird der Ärztestand nicht mehr derselbe sein,
genauso wenig wie das Arzt-Patient-Verhältnis. Es bleibt zu
fragen, ob die Gesellschaft ein Interesse an einer derartigen
Rolle des Arztes als Serviceleister in einem Marktmodell hat,
und wie sich diese Rolle zur Garantenstellung des Arztes verhält.
(Dieser Wandel führt neben den ethischen Problemen zu
berufsrechtlichen und haftungsrechtlichen sowie
ausbildungsstrategischen Fragestellungen. Wenn die Medizin
mehr zur Anthropotechnik werden sollte, wird auch die
Für ein solidargemeinschaftlich orientiertes Gesundheitssystem
ist die Grenze zwischen Medizin und Anthropotechnik, zwischen
Heilbehandlung und Enhancement sicherlich wertvoll. Doch ist
der Einzelfall nicht immer klar einzuordnen.
Gesundheitsökonomische Zwänge mögen sogar dazu führen, dass
man auf diese Ränder aus pragmatischen Gründen gar nicht
verzichten kann, wenn der Kernbereich unterfinanziert, aber
unverzichtbar ist. (Aber etablierte Missstände sind freilich
Doch unabhängig von der Abgrenzung der Medizin zur
Anthropotechnik und Kriterien solidargemeinschaftlicher
Finanzierung ist die Auseinandersetzung mit den Mitteln und
Zielen von Anthropotechniken einmal mehr Anlass über die
Bedingungen des Menschseins, die normative Bedeutung
menschlicher Kontingenz und Fragilität nachzudenken.
Diese Überlegungen bilden einen Rahmen für eine Güterabwägung
hinsichtlich möglicher Anwendungen von Anthropotechniken:
In Bezug auf die Ziele von Anthropotechniken wird die Frage
aufgeworfen: Wie ist das konkrete Ziel zu bewerten, das mit
einer Anthropotechnik verfolgt wird (bspw. die Steigerung der
Gedächtnisleistung)? Fördert sie auf der kollektiven Seite die
Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft oder schaden sie?
Verhelfen sie positiv über Ungleichheiten hinweg oder schaffen
sie nicht vielmehr neue? Auf der individuellen Seite ist zu
fragen, wieviele artifizielle Eingriffe wir uns leisten um
unsere Leistungen noch als authentische anzusehen? Gefragt
werden muss auch nach dem Einfluss der Anthropotechniken auf
die Natürlichkeit des Menschen: Wann ist der Mensch noch ein
Mensch, wieviel Künstlichkeit und Prothetik ist wünschenswert
und verkraftbar, aber wann ist er dem Cyborg, dem
Kybernetischen Organismus näher als dem Homo sapiens sapiens?
Wenn man bei der Beurteilung des Ziels einer Anthropotechnik
zu einer positiven Antwort gekommen ist, dann stellt sich
jedoch immer noch die Frage nach der Angemessenheit der
Mittel:
Ist das Mittel der Anthropotechnik überhaupt adäquat, um das
anvisierte Ziel zu erreichen? Sind es möglicherweise andere
Konzepte, die hier eher zum Ziel führen (bspw. veränderte
Erziehungsstruktutren oder Schulkonzepte statt Ritalin bei
ADHS)? Wie irreversibel ist der Eingriff? Welche Risiken birgt
ein Eingriff? Das Risiko eines Eingriffs in die Integrität von
Leib und Körper ist bei einer Maßnahme, die nicht
therapeutisch begründet ist, völlig anders zu bewerten, als
wenn es um die Gesundheit, um Leib und Leben geht.
Einmal mehr erweist sich die Schwelle zwischen medizinisch
Machbarem und medizinisch Verantwortbarem, zwischen
Selbstgestaltung und Selbstverlust als schwer zu definieren.
Zweifelsohne wird sie ständig verschoben. Aber gibt es einen
unverrückbaren Wesenskern, vor dem die Anwendung von
Anthropotechniken in individueller und kollektiver
Verantwortung „zurückschrecken“ muss? Kann dann der Einsatz
von Anthropotechniken als eine Behandlung verstanden werden,
die zwar über Therapie hinausgeht, die aber mal Gestaltung,
mal Manipulation sein kann? Nur im konkreten Handlungsfeld, in
der unmittelbaren Anwendung lässt sich ausmachen, ob
Anthropotechniken mehr zum Gelingen oder mehr zum Scheitern
des Lebensentwurfs beitragen. Die derzeit bereit gestellten
Mittel sind nur der Beginn einer neuen Entwicklung. Doping,
Neuroenhancement, Genenhancement werden Medizin, Ethik und
Gesellschaft in Zukunft noch stärker beschäftigen. Der Mensch
könnte eine neue Form einer „zweiten Natur“ annehmen eine Art
„zweite Gesundheit“, eine „anthropotechnische Gesundheit“. Die
Fragen, die sich dabei stellen, sind im Wesentlichen ganz
andere als die, wer dies denn bezahlen soll.
IN THE ARMED FORCES TRIBUNAL REGIONAL BENCH, GUWAHATI. T.A. NO. 14 OF 2010 (Arising out of Writ Petition (C) No. 1911/2007) HON’BLE MR. JUSTICE H.N.SARMA, Member (J) HON’BLE CMDE MOHAN PHADKE (Retd), Member (A) Lt.Col( retd) G.C.L.Arokiadas Son of Late S.Guru swami Station Cell HQ 51 SUB AREA Narengi Cantt. PO Satgaon,Guwahti-781027,Assam. Mr.A.Ahmed Legal Practit
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